Archiv für den Monat: März 2015

Buchempfehlung: Von Flüchen, Tod und Geisterspuk

Das Buch einer Freundin im eigentlichen Sinne zu rezensieren, wäre nicht statthaft, vor allem dann nicht, wenn man seine Genese über lange Zeit hinweg begleitet hat – und so geht es mir bei der hier vorgestellen Kurzgeschichtensammlung. Unerwähnt lassen möchte ich Kassandra Sperls Von Flüchen, Tod und Geisterspuk. Sechs phantastische Geschichten aber auf keinen Fall, und so sei diese gerade erst erschienene Veröffentlichung allen ans Herz gelegt, die mit Gespenstergeschichten und liebevoll ausgemalten fremden Welten etwas anfangen können.

Zentrales Thema der in dem schön gestalteten Band versammelten kurzen Erzählungen ist das Einbrechen bedrohlicher und zumeist übernatürlicher Phänomene (über die der Titel einen guten ersten Überblick gewährt) in die Lebenswelt ganz unterschiedlicher Gestalten, die eine gewisse Außenseiterrolle eint: Ob reisende Gelehrte, Mitarbeiterin der Hafenmeisterei, verachteter Söldner oder mit einem schweren Erbe konfrontierter Jüngling, mit dem Unheimlichen müssen oder wollen sie allesamt allein fertigwerden. Dass das bisweilen zu einem tragischen oder gar bitterbösen Ausgang führt, ist gewissermaßen vorprogrammiert, so dass es umso schöner ist, dass sich hier und da durchaus auch versöhnliche Elemente oder ein Aufblitzen von Humor im Spiel mit liebgewonnenen literarischen Konventionen finden.

Den furiosen Auftakt bildet Halliéna: In der titelgebenden Hafenstadt scheint der leibhaftige Tod umzugehen und ein Opfer nach dem anderen verfrüht ins Grab zu bringen, bis eine unbesungene Heldin ihm den Kampf ansagt und erkennen muss, dass sie das wahre Ausmaß des Grauens beträchtlich unterschätzt hat. Der äußere Schein trügt auch in der gleichnamigen Geschichte, in der es zu einer folgenschweren Begegnung zwischen zwei Opfern von Vorurteilen kommt und die besten Absichten ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen.

Nachtmahr und Herzblut dagegen machen als zweiteilige Erzählung deutlich, dass das vermeintliche Ungeheuer nicht immer der wahre Böse ist, und schildern zugleich anrührend das Erwachsenwerden eines Jungen, der in der Waldeinsamkeit unverhofft vom Beschützten zum Beschützer werden muss.
Ein Ozean voller Sterne mag auf den ersten Blick Poetisches verheißen, bietet aber eher Schimmelreiter-Atmosphäre als Naturromantik, wenn das Meer seine schaurigen Geheimnisse preisgibt und eine ganze Dorfgemeinschaft sich nicht nur mit einem Unwetter, sondern zugleich auch mit den Auswirkungen einer moralisch fragwürdigen Entscheidung konfrontiert sieht. Auch Die Rose von Laverne hat ein Gewässer zu bieten, an dessen Ufern ein Gespenst umgeht, dem man Grauenvolles nachsagt – ob zu Recht, ist, wie so manches in diesen klug konstruierten Geschichten, eine Frage der Perspektive …

Ganz gleich, ob man als Fantasyleser abseits ausgetretener Pfade auf der Suche nach neuen Stimmen im Genre ist, ob man als Freund von Sagen und Märchen einen Einstieg in die Phantastik sucht oder ob man sich als Liebhaber sprachlich anspruchsvoll gestalteter Kurzprosa die Aufgeschlossenheit bewahrt hat, vor Magie und Andersweltlichkeit nicht gleich reflexartig zurückzuschrecken: Von Flüchen, Tod und Geisterspuk bietet unterhaltsame und spannende Lektüre und macht Lust auf mehr aus Kassandra Sperls Feder.

Kassandra Sperl: Von Flüchen, Tod und Geisterspuk. Sechs phantastische Geschichten. Luxemburg, CreateSpace (Amazon), 2015, 257 Seiten.
ISBN: 978-1506190310