Feast of Sorrow

Eine Mischung aus Downton Abbey und Game of Thrones vor antiker Kulisse gefällig? Willkommen in Feast of Sorrow, Crystal Kings Roman über den römischen Gourmet Marcus Gavius Apicius und seinen (fiktiven) Sklaven Thrasius.
Für den Ich-Erzähler Thrasius sieht die Zukunft zunächst düster aus, als er als junger Koch in den Haushalt des Apicius verkauft wird: Sein Vorgänger ist von der Mutter seines Besitzers vergiftet worden, und dieser selbst gilt als unberechenbar. Von Geltungsdrang und Genusssucht getrieben, schwankt er Sklaven und Angehörigen gegenüber ständig zwischen Großzügigkeit und Brutalität. Doch anders als seine Standesgenossen liebt Apicius nicht nur das Essen, sondern auch das Kochen, und so freunden sich Herr und Sklave im Laufe der Jahre fast ein wenig an. Dementsprechend entsetzt ist Thrasius, als sich erweist, dass Apicius durch eigene Schuld erpressbar ist und der skrupellose Aufsteiger Sejanus sein Wissen darum auf eine Weise zu nutzen gedenkt, die auch Apicius‘ Tochter Apicata bedroht …
Historisch Bewanderte ahnen spätestens jetzt, worum es geht: Neben der römischen Küche und Esskultur stellt King mit der Geschichte des machthungrigen Prätorianerpräfekten Lucius Aelius Sejanus eine der unerfreulichsten Episoden der frühen Kaiserzeit in den Mittelpunkt ihres Romans. Wie es mit einigen der historisch verbürgten Personen ausgehen wird, weiß man also schon bei ihrem ersten Auftreten, so dass die Einführung der zahlreichen fiktiven Sklavenfiguren einen entscheidenden Vorteil hat. Mit ihnen kann man das Buch hindurch hoffen und bangen – oft eher Letzteres, denn King steigert munter das im Quellenmaterial schon nicht geringe Maß an Gewalt und Intrigen und ergänzt es um einen phantastischen Einschlag. Verfluchungen sind bei ihr ein hochwirksames Mittel, um jemandem das Leben gründlich zu ruinieren, und dunkle Prophezeiungen sollte man tunlichst ernst nehmen.
Vor diesem Hintergrund darf man Feast of Sorrow nicht allzu sehr als historischen Roman über Rom, wie es gewesen sein könnte, lesen, sondern eher als fabulierfreudige Erzählung auf Basis von Anekdoten, Skandalgerüchten und populären Vorstellungen. King ist zwar erkennbar um gründliche Recherche bemüht, aber keine Expertin. Auf einige Schnitzer muss man sich gefasst machen, darunter ein paar auch für Laien offensichtliche: So ist von Briefumschlägen und Adrenalin die Rede – und was für eine Sprache soll man sich in der Antike wohl unter Spanish vorstellen? In manchen Fällen steckt dahinter allerdings wohl auch die Tradition des angloamerikanischen historischen Romans (z.B. ist die pauschale Bezeichnung von Angehörigen der Oberschicht als patricians für die Kaiserzeit falsch, aber in solchen Werken gängig).
Trotz dieser Schönheitsfehler ist das Buch vor allem in zwei Bereichen gelungen: Als Schilderung der Tücken einer streng hierarchischen Gesellschafts- und Familienstruktur, in der das Machtgefälle auch intimste Beziehungen vergiften kann, und als schwelgerische Feier der Freude an Zubereitung und Verzehr von Köstlichkeiten aller Art.
Den einzelnen Kapiteln sind Rezepte aus dem mit dem Namen des Apicius verbundenen antiken Kochbuch vorangestellt, und vieles davon kommt im Verlauf der Handlung tatsächlich auf den Tisch. Zugegeben – bestimmte Speisen sind für den heutigen Geschmack eher exotisch als verlockend (z.B. Flamingozungen oder gefüllte Siebenschläfer), und einige Genüsse müssen uns ohnehin verwehrt bleiben, da etwa die begehrte Gewürzpflanze Silphium schon zur Zeit des Apicius im Aussterben begriffen war. Doch aus Gemüse geschnitzte Blumen als Liebesgabe, die Suche nach den perfekten Zutaten oder die Begeisterung über ein vorzügliches Küchenmesser sind zeitlos und lassen einen vom ersten bis zum letzten Festmahl neben allem Schaudern auch manch vergnüglichen Lesemoment erleben.

Crystal King: Feast of Sorrow. A Novel of Ancient Rome. New York, Touchstone (Simon&Schuster), 2017, 407 Seiten.
ISBN: 9781501145131


Genre: Roman