Neues über die alten Römer. Von A wie Aftershave bis Z wie Zocker

An Karl-Wilhelm Weeber kommt man seit vielen Jahren nicht vorbei, wenn es um populärwissenschaftliche Bücher zur römischen Kulturgeschichte geht: In der Sache immer seriös, zugleich aber äußerst unterhaltsam informiert er über die unterschiedlichsten Aspekte des alten Rom. Auch Neues über die alten Römer enttäuscht in dieser Hinsicht nicht und bietet wirklich das im Titel versprochene „Neue“, werden in dem kleinen Lexikon doch gerade die Themen aufgegriffen, die in den meisten anderen Überblicksdarstellungen zu kurz kommen oder schamhaft verschwiegen werden. Hier werden sie nicht nur quellennah erörtert, sondern teilweise auch noch von Ferdinand Wedler sehr witzig in Illustrationen eingefangen, die stilistisch von römischen Graffiti inspiriert sind.
Die Stichwörter sind bewusst modern gehalten – so findet man etwa Einträge zum Thema Deodorant (in gewisser Form bekannt und wirksam), Verhütungsmittel (in gewisser Form bekannt und wirksam) oder Voodoo-Puppe (in gewisser Form bekannt und … nun ja, schon damals in ihrer Wirksamkeit eindeutig Ansichtssache).
Auf Sonderseiten unter der Überschrift Stimmt es, dass … werden zudem viele populäre Fehlannahmen aufgeklärt und scheinbare Gewissheiten hinterfragt. In dieser Rubrik lernt man beispielsweise, dass bis heute unklar ist, ob man unter der in literarischen Quellen mit dem Ausdruck (con)verso pollice – „mit gewendetem Daumen“ – beschriebenen Geste, die über das Schicksal eines Gladiators entschied, wirklich eine Drehung des Daumens nach unten verstehen kann, wie man im 19. Jahrhundert glaubte. Denn ein Bild der Gebärde ist aus der Römerzeit nicht überliefert (oder zumindest bisher nicht entdeckt worden).
Weeber legt dabei viel Wert darauf, die Antike in ihrer Fremdartigkeit ernstzunehmen, scheut sich aber dennoch nicht, berechtigte Kritik an vielen Eigenheiten des Lebens im Römischen Reich zu üben: Sklaverei, mangelnde Gleichberechtigung und Brutalität (die sich nicht nur in blutigen Tierhetzen und Gladiatorenspielen zeigte, sondern etwa auch in Gewalt in der Erziehung oder im Umgang mit Gefangenen) werden nicht schöngeredet. Problemen wie Altersarmut oder Kinderarbeit sind sogar ganze Abschnitte gewidmet.
Umgekehrt wird jedoch auch hervorgehoben, dass die Römer uns Heutigen in manchen Belangen voraus waren und durchaus Vorbildfunktion entfalten könnten. So sind zwar Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen punktuell überliefert, aber Rassismus im neuzeitlichen Sinne oder eine generelle Migrantenfeindlichkeit gab es nicht.
In anderen Bereichen wiederum ist die Antike der Gegenwart so ähnlich, dass man ein Schmunzeln nicht unterdrücken kann: Am Kauf von nicht in jedem Fall geschmackvollen Souvenirs und Fanartikeln hatten die Menschen offenbar auch vor zweitausend Jahren schon genauso viel Spaß wie heute.
Dieses Bekannte im Andersartigen und das doch etwas Andersartige im (vermeintlich) Bekannten greifbar zu machen, ist Weebers großes Talent, und sein Humor und seine Begeisterung für Rom sind noch bei den abseitigsten Fragestellungen zu spüren. Nicht ohne Grund hätte er, wie er im Vorwort ausführt, gern ein Zitat einer seiner Lateinschülerinnen als Titel für dieses Buch gewählt, stieß dabei aber leider beim Verlag auf wenig Gegenliebe: „Am schönsten ist es, wenn Herr Weeber von römischen Klos erzählt.“
Dem kann man bei allem Kopfschütteln über die deftige Formulierung nur zustimmen.

Karl-Wilhelm Weeber: Neues von den alten Römern. Von A wie Aftershave bis Z wie Zocker. Darmstadt, Theiss (WBG), 2015, 336 Seiten.
ISBN: 9783806228410


Genre: Geschichte