Archiv für den Monat: Juni 2015

Neu rezensiert: The Archaeology of Religious Hatred

Eberhard Sauer befasst sich in seiner facettenreichen archäologischen Untersuchung mit einem unschönen Phänomen, für das es im spätantiken und frühmittelalterlichen Christentum ebenso Beispiele gibt wie heute in extremistischen Spielarten des Islam: der religiös motivierten Zerstörung von Kunstwerken und Gebäuden. Die neue Rezension ist hier zu finden.

Gedanken über das Rezensieren

Ardeija.de besteht nun schon gut ein halbes Jahr, und so ist es vielleicht an der Zeit, die praktische Arbeit des Bloggens auf ein theoretisches Fundament zu stellen. Inspiriert von einem entsprechenden Beitrag in Moyas Buchgewimmel habe auch ich mir die Frage nach meinem Zugang zum Rezensieren gestellt.

Von Geschichte und Geschichten

Der Hauptgrund dafür, dass ich Bücher rezensiere, deckt sich mit dem dafür, dass ich sie gern lese und schreibe, und hatte auch auf die Wahl meiner Studienfächer und meines Berufs beträchtlichen Einfluss: Geschichten faszinieren mich. Das ist nicht allein ihrem Unterhaltungswert geschuldet. Vielmehr halte ich sie für eines der wichtigsten Mittel, das den Menschen zur Verfügung steht, um die Welt zu deuten und zu begreifen. Denn Geschichten werden nicht nur in Romanen, Novellen, Märchen, Sagen und dergleichen mehr erzählt. Auch auf wissenschaftliche Distanz und Objektivität abzielende, der Realität verhaftete Bücher, die Fakten vermitteln wollen, bauen oft auf narrative Elemente, und sei es nur, dass Fallbeispiele, die den Kern einer kleinen Geschichte enthalten, zur Verdeutlichung abstrakter Konzepte dienen (vom philosophischen Gedankenspiel bis zur Textaufgabe im Mathebuch).
Besonders sinnfällig ist das bei allen historischen Themen, denn Geschichtsschreibung ist immer in gewissem Maße ein Versuch, die oft unüberschaubare vergangene Realität in (eine) halbwegs kohärente Geschichte zu verwandeln, bei der ganz ähnlich wie in fiktionalen Texten Entwicklungslinien, zentrale Ereignisse und oftmals auch besonders hervorgehobene Figuren inszeniert werden – ganz gleich, ob es nun um eine quellenmäßig gut fassbare historische Persönlichkeit geht oder um den Versuch, aus den spärlichen Informationen eines Grabfunds, einer Inschrift oder einer Urkunde ein ansonsten verlorenes Einzelschicksal in groben Zügen zu rekonstruieren.
Fast alle Bücher enthalten daher mindestens ansatzweise eine Geschichte, sei es eine mehr oder minder wahre oder eine ganz der Phantasie entsprungene (und doch auf anderer Ebene für die Wirklichkeit relevante). Funktion und Aussageabsicht sind natürlich je nach Gattung und Genre ganz unterschiedlich, doch grundlegende Techniken des Erzählens und der Informationsvermittlung und die Art, wie wir als Leser darauf reagieren, spielen überall eine Rolle. Wenn ich in meinen Rezensionen zu verdeutlichen versuche, was in einem Buch erzählt wird, mit welchen Mitteln es geschieht und welche Konsequenzen sich möglicherweise daraus ergeben, soll das also nicht allein eine Auswahlhilfe bei der Suche nach eigener Lektüre sein, sondern immer auch ein Denkanstoß.

Gelesen, aber nicht besprochen

Obwohl also vieles Anknüpfungspunkte für das bietet, was mich an Büchern interessiert und was ich an ihnen hervorheben möchte, findet nicht alles, was ich lese, auf Ardeija.de Erwähnung. Auch wenn ich meinen eigenen Blog unter anderem begonnen habe, um nicht mehr ausschließlich Fantasy zu rezensieren, bespreche ich hier nicht meine komplette Lektüre. Die Beschränkung auf Romane und auf Sachbücher zu historischen und kulturellen Themen hat ihren Grund: Als Rezensentin möchte ich nicht nur die sprachliche und (erzähl-)technische Qualität eines Werks beurteilen, sondern auch zumindest im Großen und Ganzen die sachliche Richtigkeit, das Ausmaß der vorausgesetzten Vorkenntnisse und die Informationsauswahl einschätzen können.
Deshalb werden auf Ardeija.de auch künftig keine Bücher z.B. zu naturwissenschaftlichen Themen besprochen werden, auch wenn ich sie lese. So hatte ich zwar als interessierte Laiin großen Spaß an Randall Munroes What if? (ISBN: 978-3813506525), der Buchfassung der gleichnamigen Unterabteilung des Webcomics xkcd, und könnte dazu vielleicht einiges hinsichtlich der Tücken des Wechsels von einem Medium ins andere oder der allgemeinen Lesbarkeit sagen, aber über die Inhalte könnte ich mich nicht so qualifiziert äußern wie jemand vom Fach, so dass eine Rezension sich nicht lohnen würde.
Doch auch aus meinen Lieblingsgebieten schafft es nicht jedes Buch auf die Rezensionsliste – ganz einfach, weil es nicht immer viel Mitteilenswertes dazu zu sagen gibt. Hat man Anlass zu Lob oder Kritik, rezensiert sich ein Werk leicht, aber erschreckend viele Bücher erscheinen mir einfach ziemlich nichtssagend; wenn nicht viel Konkretes gegen sie spricht, aber auch nichts im Guten hervorsticht, reduziert sich mein Mitteilungsbedürfnis sehr.

Alles in Maßen

In aller Regel zeichnet sich schon während der Lektüre ab, ob ein Buch sich für eine Rezension eignet, und in dem Fall beginne ich, Notizen zu machen, aus denen dann nach Abschluss des Lesens die Besprechung entsteht.
Oberstes Gebot ist für mich dabei, dem jeweiligen Buch und auch den Bloglesern gegenüber fair zu sein. Bisweilen bedeutet das, die eigene Begeisterung etwas zu zügeln, wenn ich spüre, dass meine subjektive Freude an bestimmten Elementen gerade in Romanen die Wahrnehmung vorhandener Schwächen zu überlagern droht. So schwer es fällt, den Jubel dann etwas zu dämpfen – jede Empfehlung, die ich ausspreche, soll auch auf objektiv nachvollziehbaren Kriterien beruhen und nicht nur auf persönlichen Vorlieben.
Umgekehrt gilt aber auch, dass ich nicht aus reiner Lust am Zerfetzen Verrisse schreiben möchte. Auch das kann Beherrschung kosten, denn manche Sachfehler, Stilblüten oder merkwürdigen Überlegungen sind die reinsten Steilvorlagen, um ein Buch gehörig durch den Kakao zu ziehen. Aber ich bemühe mich, es damit nicht zu übertreiben. In Häme soll meine Kritik nie abgleiten. Schließlich schreibe ich selbst auch anderes als Rezensionen und weiß, wie leicht es ist, dabei einiges falsch zu machen. Wenn ich mir von anderen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem, was ich verfasse, wünsche, dann muss ich mit dieser Haltung auch an fremde Texte herangehen.