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Götter, Gaben, Heiligtümer

Das Leben der Römer war in hohem Maße von Religion geprägt, auch in den Provinzen, wie Alfred Schäfer in Götter, Gaben, Heiligtümer am Beispiel des römischen Köln anschaulich zeigt. Eingebettet in die Geschichte der Stadt von ihrer Gründung unter Augustus über die Erhebung zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium bis in die Spätantike zeichnet er nach, was sich aus archäologischen Funden und inschriftlichen Quellen über das religiöse Leben der CCAA rekonstruieren lässt. Denn was außer Gebäuderesten, Götterstatuen und dergleichen geblieben ist, lässt sich vor allem als Zeugnis einer reichen paganen Memorialkultur fassen, die an das erinnert, was die Zeiten eben nicht überdauert hat, seien es nun Opfer und andere rituelle Handlungen, die in Inschriften und bildlichen Darstellungen festgehalten wurden, oder die Menschen selbst, deren Grabsteine und -beigaben etwas über Jenseitshoffnungen verraten können.

Hand in Hand gingen im Alten Rom aber insbesondere auch Religion und Politik, so dass es kein Zufall ist, dass die bedeutenden Heiligtümer, die dem Kaiserkult und der Verehrung der kapitolinischen Trias (Jupiter, Juno und Minerva) gewidmet waren, mit ihrer Ausrichtung zur Rheinfront hin das Stadtbild weithin sichtbar prägten. Auch anhand des Statthaltersitzes (Praetorium) oder des unweit der Stadt gelegenen Kastells der Rheinflotte lässt sich zeigen, dass Autoritätsanspruch und Sakrales eng miteinander verquickt waren.

Noch weitaus größer und vielfältiger jedoch war der Bereich privater Frömmigkeit, in dem regionale und individuelle Ausprägungen stärker zum Tragen kamen, und das nicht etwa nur im Rahmen von Mysterienkulten wie dem des Mithras, die Eingeweihten spezielles Geheimwissen verhießen. Am Beispiel der Verehrung der Matronen (einer zumeist als Dreierensemble dargestellten und mit allerlei lokalen Beinamen versehenen Gruppe von Göttinnen) und der Jupitersäulen sowie Jupitergigantensäulen schildert Schäfer gut nachvollziehbar, wie die religiöse Vorstellungswelt der ortsansässigen Bevölkerung sich mit den von den römischen Eroberern mitgebrachten Bräuchen und Überzeugungen vermischte, so dass eine reiche Fülle von Neuinterpretationen und Synkretismen entstand. Es wird deutlich, dass die antike Religion ein dynamisches Gebilde war, das immer wieder Raum für Hinzufügungen und Anpassungen bot und fremde Gottheiten nahtlos zu integrieren wusste. Allerdings hatte die jahrhundertelang so erfolgreiche Vielfalt in der Spätantike gegenüber dem Christentum keinen Bestand, wobei die Quellen sogar auf ein gewaltsames Vorgehen gegen überdauernde heidnische Praktiken noch in merowingischer Zeit hindeuten.

Schäfer schreibt auch für Laien gut verständlich in kurzen und übersichtlichen Kapiteln, die es ermöglichen, sich gezielt über spezielle Themen zu informieren, wenn man nicht das komplette Buch lesen möchte. Zusätzlich lockern Kästen den Text auf, in denen insbesondere interessante Einzelfunde, aber auch zentrale Begriffe wie z.B. Polytheismus näher erläutert werden. Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, so dass die Darstellung auf Zugänglichkeit für ein breites Publikum angelegt ist, ohne je über Gebühr verkürzt oder vereinfachend zu wirken.

Sehr ansprechend ist das Buch aber auch durch seine zahlreichen Illustrationen gestaltet. Neben Abbildungen von Fundstücken und Kartenmaterial sind auch digitale Rekonstruktionen enthalten, die einem gestatten, einen Eindruck von der Topographie des römischen Köln und vom Aussehen einzelner Gebäude zu gewinnen. So üppig die Bebilderung insgesamt auch ist, bedauert man allerdings doch im Einzelfall, dass ein Foto fehlt (z.B. wird das berühmte Dionysosmosaik, das im Römisch-Germanischen Museum zu sehen ist, zwar als Beispiel für religiöse Motive im Bildschmuck eines Privathauses beschrieben, ist aber im Buch selbst nicht gezeigt und nur durch einen Ausschnitt aus dem zentralen Feld auf dem Cover präsent).

Von solchen Kleinigkeiten abgesehen könnte man sich jedoch kaum eine bessere Einführung in die religiöse Welt des römischen Köln wünschen. Wer Götter, Gaben, Heiligtümer liest, lernt auf jeden Fall auf unterhaltsame Weise etwas dazu und wird vielleicht auch die heutige Stadt mit etwas anderen Augen als bisher sehen.

Alfred Schäfer: Götter, Gaben, Heiligtümer. Römische Religion in Köln. Darmstadt, Philipp von Zabern (WBG), 2016, 128 Seiten.
ISBN: 978-3805349499


Genre: Geschichte