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Geformt mit göttlichem Atem. Römisches Glas

Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit von Glas sind sprichwörtlich. Umso erstaunlicher ist es, dass sich aus der römischen Antike zahlreiche gläserne Objekte erhalten haben, vom Trinkgefäß über die Lampe bis hin zur Schmuckperle.
Wie Andrea Rottloff in ihrer flüssig zu lesenden Darstellung deutlich macht, beschränkt sich der Wert dieser Gegenstände nicht auf ihren unbestreitbaren ästhetischen Reiz, der seine Wirkung auch auf heutige Betrachter nicht verfehlt. Vielmehr lässt sich an ihnen und am jeweiligen Fundkontext bemerkenswert viel über das Alltagsleben der Römer ablesen. Je nach Qualität konnte Glas Massenware oder Luxusgut sein und kam auf dem Tisch ebenso zum Einsatz wie als Grabbeigabe (hier genügte oft Ware zweiter Wahl) oder als Souvenir bei einem der populären Wagenrennen. Da Rohglasgewinnung, Weiterverarbeitung und Verkauf an die Endkunden oft getrennt erfolgten, lässt sich an erhaltenen Gläsern und den Orten, an denen sie überdauerten, auch Spannendes zu Handelswegen und regionalen Besonderheiten beobachten.
Nicht zuletzt jedoch stehen die Techniken der römischen Glasbläser und Glasbläserinnen im Vordergrund (denn wie man hier erfährt, sind in diesem Beruf tatsächlich neben zahlreichen Männern auch einige Frauen durch Herstellermarken namentlich belegt). Bei vielen der minutiös gegeneinander abgegrenzten gängigen Gefäßformen lässt sich relativ gut rekonstruieren, wie sie angefertigt worden sein müssen. Dagegen stellen einzelne Stücke, wie etwa die kostbaren mehrschichtigen Diatrete oder Netzbecher, die Forschung noch vor ein Problem: Zwar gibt es verschiedene experimentalarchäologische Ansätze, ihre Herstellung nachzuvollziehen, doch scheint das letzte Wort hier trotz einiger Erfolge noch nicht gesprochen zu sein. Der abschließende Ausblick auf den Wandel der Glasproduktion im Frühmittelalter ist etwas knapp geraten, macht aber durchaus Lust darauf, sich mit dem Thema näher zu befassen, und ein nützliches Glossar zur Fachterminologie der Glasherstellung rundet das Buch ab.
Leider können jedoch die für einen Bildband so entscheidenden Illustrationen mit der Qualität des Texts nicht ganz mithalten. Hier hat man den Eindruck, dass an entscheidender Stelle (zu) sehr gespart wurde. Die meisten Zeichnungen stammen von der Autorin selbst und zeigen zwar inhaltlich das Notwendige, sind aber in ihrer Ausführung als Druckvorlagen nicht ideal; viele wirken wie mit Bleistift oder mit Folienmarker erstellt, so dass die Linien im Druck nicht gestochen scharf hervortreten. Bei den Fotos von Fundstücken ist viel gemeinfreies Material zum Einsatz gekommen, aber vor allem fällt auf, dass eine ganze Reihe von Abbildungen eine Doppelverwendung als Kapiteltitelblatt und dann noch einmal als identische oder allenfalls in der Größe leicht veränderte Illustration im Fließtext erfahren hat. Den dadurch verschenkten Platz hätte man gern anders genutzt gesehen (so hat es z.B. ein so wichtiges Fundstück wie der Lykurgusbecher zwar aufs Buchcover geschafft, nicht aber in den Innenteil des Buchs). Hier hat der Verlag die Chance verschenkt, die eine liebevollere Anordnung des verfügbaren Bildmaterials auch bei einem begrenzten Budget geboten hätte.
So lässt sich letzten Endes nur eine bedingte Empfehlung aussprechen. Wenn es einem primär darauf ankommt, sich über die Entwicklung der römischen Glasherstellung von der hellenistischen Zeit bis in die Spätantike zu informieren, ohne dass man auf schmückendes Beiwerk großen Wert legt, erhält man hier einen umfassenden Überblick. Wer dagegen vor allem an einem gut und abwechslungsreich bebilderten Band über antikes Glas interessiert ist, wird an anderen Publikationen mehr Freude haben (z.B. am aktuellen Sonderheft der Zeitschrift Archäologie in Deutschland).

Andrea Rottloff: Geformt mit göttlichem Atem. Römisches Glas. Mainz, Nünnerich-Asmus, 2015, 128 Seiten.
ISBN: 9783943904765


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur