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Ein Haus für viele Sommer

Ein alter Turm auf Elba, der über Jahrzehnte hinweg als Ferienhaus einer deutschen Familie dient, ein am Rande der Wildnis gelegenes Gartengrundstück samt Olivenernte und Wildschweinbesuch, Meer, Sonne, Strand, Wandel und Beständiges, aber vor allem auch viele menschliche Eigenarten und Schwächen: Das sind die Zutaten, die bei Axel Hacke Ein Haus für viele Sommer ergeben.

Zugegeben, ein wenig schwer fällt es schon, einzuordnen, was dieses Buch eigentlich sein möchte: Eher Aneinanderreihung kleiner Episoden als Roman ist es keine reine Fiktion (das Ferienhaus in Elba und allerlei auftretende Personen scheint es laut Nachwort wirklich zu geben), aber auch (ebenfalls laut Nachwort) kein größtenteils den realen Tatsachen verpflichteter, die Wirklichkeit nur in ein dichterisches Gewand kleidender Reisebericht. Vielleicht lässt es noch am ehesten als Kaleidoskop autobiographisch inspirierter Betrachtungen beschreiben, die von der Perspektive eines wiederkehrenden Gastes leben, der an seinem Urlaubsort irgendwann kein ganz Fremder mehr ist, aber doch nie zum Einheimischen werden wird.

Unabhängig davon, welches Gefühl dieses Eingeständnis einer bunten Mischung aus Fakten und Fiktion in einem hinterlässt, liest sich das Haus für viele Sommer durchaus unterhaltsam. Heiter, aber nicht anspruchslos und mit zahlreichen Zitaten aus anderen literarischen Werken angereichert, daneben auch mit (immer übersetzten) italienischen Einsprengseln gespickt, lässt der Geschichtenreigen einen eine Reise in ein nun vom Tourismus geprägtes ehemaliges Bergbaudorf unternehmen, das von der Topographie bis zur Abfallentsorgung gewisse Eigenheiten aufweist, vor allem aber auch – ständig oder nur auf Zeit – die Heimat unzähliger schräger Typen ist.

Ob Künstler, Automechaniker, Schmied, Strandwart, Kellner oder zu ungeahnten Wutausbrüchen fähiger Wissenschaftler im Ruhestand, hier haben alle ihre Ecken und Kanten und wechseln sich damit ab, die Hauptrolle in oft ziemlich lustigen Begebenheiten zu spielen. Dabei ist ein eindeutiger Männerüberschuss zu konstatieren, denn Frauen kommen nur vergleichsweise wenige vor, während die Herren der Schöpfung die Bühne dominieren.

Menschen sind allerdings nicht die einzigen liebevoll ausgearbeiteten Charaktere, mit denen man es hier zu tun bekommt: Auch die ebenso gefräßigen wie furchtlosen Nachbarsziegen, ein alter Fiat und nicht zuletzt das Ferienhaus selbst gewinnen ganz individuelle Züge und machen dem oft selbstironischen Ich-Erzähler das Leben nicht immer leicht. Erholsame Ferien sind also nicht garantiert, dafür aber erlebnisreiche und schöne mit feinen Naturbeobachtungen, nachdenklichen Einschüben und immer wieder auch Stellen, an denen man kräftig lachen kann. In diesem Kontext allerdings stellt sich wieder das schon eingangs erwähnte Problem: Manche der geschilderten alltäglichen Begebenheiten sind vor allem dann urkomisch, wenn man sich vorstellt, dass sie so oder so ähnlich tatsächlich passiert sind. Ob sie noch gleichermaßen witzig sind, wenn man sie unter die hinzuerfundenen Einzelheiten einordnen muss, ist wohl Geschmackssache, und diese kleine Unsicherheit bleibt eben überall.

Hervorhebenswert ist die gelungene äußere Gestaltung des Buchs mit flirrend mediterranem Titelgemälde von Thomas Weczerek und meerblauem Leineneinband mit goldgeprägter Schrift. Auch unabhängig vom über weite Strecken amüsanten Inhalt ist es also ein kleines Schmuckstück, das nicht nur vergnüglich zu lesen, sondern zugleich hübsch anzusehen ist.

Axel Hacke: Ein Haus für viele Sommer. München, Kunstmann, 2022, 288 Seiten.
ISBN: 978-3-95614-483-7


Genre: Erzählung