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Der Investiturstreit

Der Investiturstreit, der sich an der Abgrenzung der jeweiligen Rechte von Kaiser und Papst bei der Einsetzung von Bischöfen entzündete, ist sicher einer der bekanntesten Konflikte des Mittelalters. Entsprechend viel ist darüber schon geschrieben worden. Trotz der Fülle der Forschungsliteratur und widerstreitenden Theorien gelingt es der Historikerin Claudia Zey in ihrem kleinen Bändchen Der Investiturstreit, einen knappen und präzisen Überblick über den Ablauf der mehrere Jahrzehnte währenden Auseinandersetzung, ihre wichtigsten Akteure (beileibe nicht nur Gregor VII. und Heinrich IV.) und die langfristigen Folgen zu bieten.
Anders als zuletzt häufig geschehen (vgl. etwa Stefan Weinfurters Canossa. Die Entzauberung der Welt) legt Zey den Fokus dabei nicht auf die im Zuge des Investiturstreits erfolgte Entsakralisierung des König- und Kaisertums, die oft als erster, wenn auch zögerlicher Schritt zur damals noch Jahrhunderte entfernten Trennung von Staat und Kirche und zu säkularen Weltdeutungen begriffen wird. Vielmehr versieht sie diese Perspektive mit einem Fragezeichen, da Verflechtungen von Religion und Herrschaft noch lange fortwirken sollten (etwa in dem insbesondere in Frankreich und England verbreiteten Aberglauben, der König  könne Heilungswunder bewirken).
Ihr Hauptaugenmerk liegt eher auf den strukturellen Wandlungen von Herrschaft und Kirchenorganisation, die durch den Investiturstreit unmittelbar oder indirekt gefördert, wenn nicht gar ausgelöst wurden: So gehen etwa die Konsolidierung der päpstlichen Vormachtstellung innerhalb des westlichen Christentums und die Institutionalisierung des Kardinalskollegiums als Wahlgremium für den Papst auf diese Epoche zurück. Umgekehrt half der Investiturstreit auch den Fürsten des späteren Heiligen Römischen Reichs, ihren politischen Einfluss zu zementieren und eine primär auf Ministerialität und Städte gestützte Königsherrschaft dauerhaft zu verhindern.
Die Ironie des Investiturstreits sieht Zey vor allem darin, dass das salische Kaiserhaus anfangs aus einer Position der Stärke heraus genau die reformorientierten Kräfte unterstützte, aus deren Reihen dann die schärfsten Gegner einer Einmischung weltlicher Herrscher in die Besetzung kirchlicher Ämter stammen sollten. Zwar gelang es den Reformpäpsten nicht, ihre Maximalforderungen durchzusetzen, aber die Weichen für einen Ansehensgewinn des Papsttums gegenüber dem Kaisertum waren gestellt. Nicht zuletzt ging mit dem Aufbrechen der engen Bindungen zwischen der Kirche und den Nachfolgern der (ost-)fränkischen Herrscher auch eine Stärkung der Einflussmöglichkeiten anderer europäischer Mächte einher. Dass das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser bzw. König damit nicht abschließend geklärt war, belegen zwar spätere Konflikte etwa in der Stauferzeit, doch entscheidende Kräfteverschiebungen gegenüber dem Frühmittelalter waren angestoßen und nicht mehr rückgängig zu machen.
Zeys nüchterner und präziser Stil erleichtert es, ihrer Argumentation zu folgen und die Flut von Details aufzunehmen, die ihren Weg in das schmale Buch gefunden hat. Wer einen ersten Einstieg in die Zeit des Investiturstreits sucht oder aber vorhandene eigene Kenntnisse auffrischen und vielleicht um neue Interpretationen bereichern will, ist daher mit dem vorliegenden Band glänzend beraten.

Claudia Zey: Der Investiturstreit. München, C. H. Beck, 2017, 128 Seiten.
ISBN: 9783406706554


Genre: Geschichte