Archive

Die Templer

Kaum ein mittelalterlicher Ritterorden ruft so viele Assoziationen wach wie die Templer. Vor allem ihre brutale Auslöschung durch den französischen König Philipp IV. im frühen 14. Jahrhundert und die im Zuge dessen erhobenen Ketzereivorwürfe trugen dazu bei, dass bis heute munter über vermeintliche mystische Geheimnisse der Tempelritter oder gar ein Überdauern ihrer Organisation im Verborgenen spekuliert wird.
Derart haltlosen Phantastereien tritt der Journalist und Historiker Dan Jones in seinem von Andreas Nohl kongenial übersetzten Buch Die Templer. Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern mit aller Entschiedenheit entgegen. Zugleich beweist er jedoch, dass sich die Geschichte der Templer auch abseits aller mehr oder minder abstrusen Legenden packend und lebendig erzählen lässt. Die vier großen Abschnitte seiner Darstellung sind mit den Rollen betitelt, die die Tempelritter in der Realität einnahmen: Waren die ersten von ihnen als bewaffnete Pilger nach Jerusalem gekommen, wirkten sie im Ringen ums Heilige Land bald dauerhaft als Soldaten, die aber daneben dank ihres geschickten Umgangs mit eigenem und fremdem Geld als Bankiers geschätzt waren. Das alles bewahrte sie jedoch nicht davor, als Ketzer zu enden.
Der Fokus der Erzählung liegt auf der Ereignisgeschichte vor allem im Heiligen Land und später – in der Endphase des Ordens – in Frankreich. Informationen über andere geographische Räume sowie wirtschafts- und sozialhistorische Details oder Spezialthemen wie den Burgenbau sind zwar am Rande mit eingeflochten, stehen aber eindeutig nicht im Mittelpunkt. Dafür erhält man einen auch für Laien gut verständlichen und packend geschriebenen chronologischen Überblick von den bescheidenen Anfängen der Templer bis zu ihrem betroffen stimmenden Ende.
Man merkt Dan Jones deutlich an, dass er Journalist ist: Jedes Kapitel beginnt mit einer reportagehaft ausgemalten dramatischen Szene, die geschickt das Leserinteresse bindet und als Einstieg in den jeweils geschilderten Zeitabschnitt dient. Das Thema bietet allerdings auch den idealen Stoff für dieses Vorgehen, denn die knapp zweihundert Jahre umfassende Geschichte der Kreuzfahrerstaaten im Orient ist geprägt von kriegerischen Verwerfungen, politischen Winkelzügen und beispiellosen Grausamkeiten aller beteiligten Seiten.
Insbesondere den als Individuen hervortretenden handelnden Personen – von den Meistern des Templerordens über europäische Könige auf Kreuzzug und ihre muslimischen Gegenspieler bis hin zu verschiedenen Päpsten – verleiht Jones im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht, indem er detailliert auf überlieferte Beschreibungen zurückgreift und durchaus mit breitem Pinsel typische Eigenarten und Vorgehensweisen herausarbeitet. Das mag stellenweise auf Kosten differenzierter Wertungen gehen, sorgt aber für einprägsame Bilder. Gerade für Leserinnen und Leser, die sich noch nicht näher mit den Kreuzzügen befasst haben, ist das im Prinzip ein ideales Vorgehen, denn was einem hier spannend wie in einem Roman präsentiert wird, vergisst man so schnell nicht wieder. So hat man eine solide Grundlage, um sich selbst auf die Suche nach den Zwischentönen zu machen, die Jones bewusst auslässt.
Der Epilog schließlich bietet das, worauf manch einer von Anfang an gewartet haben mag: einen knappen Überblick über das reiche Nachwirken der Templer in der Literatur vom Mittelalter an und der Populärkultur. Hier findet sich neben Sonderbarem auch viel Amüsantes.
Etwas verwirrend ist zunächst, dass sowohl mit Endnoten als auch mit Fußnoten gearbeitet wird. Doch da die Anmerkungen unter dem Fließtext in der Regel genau die Hinweise enthalten, die Laien den Zugang erleichtern, sind sie letztlich genauso nützlich wie die anderen beigegebenen Hilfsmittel (darunter reichlich Kartenmaterial und ein kleines Personenglossar).
Gerade denen, die sonst gern befürchten, dass Sachbücher über historische Themen zu kompliziert und zu trocken sein könnten, seien Die Templer daher ans Herz gelegt. Auch alle anderen Geschichtsinteressierten werden jedoch ihre Freude an der schwungvollen Darstellung haben. Denn Dan Jones zeigt kenntnisreich und voller Verve, dass das Mittelalter alles andere als langweilig war und uns auch heute noch unmittelbar ansprechen kann.

Dan Jones: Die Templer. Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern. München, C.H. Beck, 2019, 508 Seiten.
9783406734816


Genre: Geschichte