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Das Münchner Buch der ägyptischen Kunst

Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München verfügt über eine umfangreiche und qualitätvolle Sammlung von Kunstwerken aller Epochen der altägyptischen Geschichte von den Anfängen bis zur Spätantike. Anlässlich des Umzugs des Museums in einen Neubau 2013 wurde Das Münchner Buch der ägyptischen Kunst veröffentlicht, das nicht nur die schönsten Stücke vorstellt, sondern auch eine kleine Kunstgeschichte des Alten Ägypten bildet, die mit dem Vorurteil einer über Jahrtausende statischen Tradition aufräumt und ferne Zeiten für ein allgemeines Publikum frisch und lebendig heraufbeschwört.

Ausgangspunkt ist ein Kapitel zu den Grundlagen der ägyptischen Kunst, in dem neben ihrem speziellen Raumverständnis auch die wichtigsten Relief- und Statuenformen knapp vorgestellt werden, da die meisten erhaltenen Kunstwerke zu diesen beiden Bereichen gehören. Chronologisch geordnet folgen dann vierzehn Abschnitte, in denen jeweils eine Epoche der ägyptischen Kunstgeschichte behandelt wird. Die Überschrift bildet dabei jedes Mal ein eingängiges Adjektiv, das ein Charakteristikum des gerade betrachteten Zeitabschnitts besonders hervorhebt: Von Neugierig gelangt man so über Klassisch, Staatstragend und Historistisch irgendwann zu Neugeboren.

Da Kunst und Ereignisgeschichte nicht isoliert voneinander zu betrachten sind, erfährt man ganz nebenbei auch das Wichtigste über Aufstieg und Fall des Pharaonenreichs und über bedeutende historische Persönlichkeiten. Ägypten wird dabei nicht als isoliertes Staatsgebilde gezeichnet, sondern erscheint vielmehr als Schnittstelle zwischen den Kulturen: Einflüsse aus dem Sudan, Vorderasien und Mesopotamien sowie später Griechenland und Rom wurden aufgenommen, aber umgekehrt wirkte auch die ägyptische Kunst immer wieder auf die der benachbarten geographischen Räume. Welche stilistischen Veränderungen nicht nur dadurch entstanden und wie oft auch renaissancehaft auf die künstlerischen Ausdrucksformen vermeintlich besserer vergangener Zeiten zurückgegriffen wurde, wird in Wort und Bild sehr anschaulich verdeutlicht. Faszinierend ist daran auch, dass in frühchristlicher Zeit eine Entkoppelung von Ikonographie und bisherigen Inhalten stattfand: Das einst den alten Göttern vorbehaltene Anch als Zeichen des Lebens konnte nun die christliche Auferstehung symbolisieren, und die Formensprache von Isisstatuen floss in Madonnenbilder ein.

Obwohl es über die Jahrhunderte hinweg eine nur selten vernachlässigte Besonderheit ägyptischer Kunst blieb, auf die Darstellung heftiger Gefühle und intensiver Übergangssituationen (wie Geburt oder Sterben) größtenteils zu verzichten, verraten die besprochenen Werke nicht nur etwas über die Summe der Gesellschaft, der sie entstammen, sondern machen immer wieder selbst abseits des Königshauses auch Einzelschicksale fassbar. So schildert etwa eine Inschrift auf der Würfelstatue, die der Hohepriester Bekenchons als Achtzigjähriger für sich umarbeiten ließ, seine Karriere vom Tempelstallburschen bis hin zum höchsten geistlichen Würdenträger.

Hervorzuheben ist die exzellente Qualität der Abbildungen. Einzelne Kunstwerke sind sogar aus mehreren Perspektiven fotografiert, um auch die Rückseite zeigen zu können oder Details noch einmal besonders herauszustellen. Obwohl ein Blick ins Buch einen Museumsbesuch und das direkte Betrachten eines Originals natürlich nicht ersetzen kann, ist hier also das Bemühen erkennbar, die Nachteile einer zweidimensionalen Wiedergabe nach besten Kräften auszugleichen. Nicht zuletzt deshalb ist die hier gebotene Einführung in die ägyptische Kunst optisch wie inhaltlich voll und ganz gelungen.

Sylvia Schoske, Dietrich Wildung: Das Münchner Buch der ägyptischen Kunst. München, C. H. Beck, 2013, 204 Seiten.
ISBN: 978-3-406-64528-0


Genre: Kunst und Kultur