Das Tal der Könige zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Fundstätten, die einen Zugang zu Kultur und Religion des altägyptischen Neuen Reichs ermöglichen. Von der 18. bis zur 20. Dynastie diente es vor allem den Pharaonen, aber auch wenigen ausgewählten Personen ihres nächsten Umfelds (wie etwa bestimmten Prinzen und Wesiren) als Bestattungsort. Erik Hornung bietet in seiner kompakten Einführung Das Tal der Könige einen Überblick über die wichtigsten Felsgräber und ihr Bildprogramm.
Einleitend zeigt ein Abriss der Entdeckungs- und Forschungsgeschichte die wechselvolle Entwicklung, die das Tal der Könige seit der Entdeckung durchlaufen hat. Einzelne Gräber waren schon früh bekannt und zugänglich, wie etwa Graffiti aus hellenistischer und römischer Zeit, aber auch die Nutzung als Kirche und Unterkunft durch spätantike und frühmittelalterliche Christen belegen. Auf diese erste Phase der Schaulust und Umfunktionierung folgte ein langer Dornröschenschlaf, der mit dem Beginn der wissenschaftlichen Erforschung im 18. Jahrhundert endete. Einerseits glückten von dieser Epoche an bis ins 20. Jahrhundert spannende Entdeckungen (wie das berühmte, 1922 gefundene Grab Tutanchamuns), andererseits erwies sich das gesteigerte Interesse jedoch als fatal. Hatte man zunächst keine Hemmungen, rabiat mit den Funden umzugehen und z.B. besonders schöne Reliefs einfach aus den Wänden zu schlagen, trug ab dem 20. Jahrhundert vor allem der immer weiter anwachsende Massentourismus zur Schädigung der Gräber bei. Dieses Problem ist bis heute ungelöst, doch was überdauert hat, ist noch immer spektakulär genug.
Hornung stellt zunächst sachkundig und in ebenso detaillierten wie anschaulichen Beschreibungen die bedeutendsten Grabanlagen in chronologischer Folge vor und zeichnet die historische Entwicklung des Grundrissplans ebenso nach wie die des Bildprogramms, das in Königsgräbern anders als z.B. in Beamtengräbern nicht Alltagsszenen, sondern ausgefeilte Illustrationen religiöser Texte umfasste.
Diese werden im zweiten Hauptkapitel des Buchs ausführlich präsentiert. Auch wenn der Textbestand im Laufe der Zeit schwankte, war zentral stets die Einbindung des verstorbenen Königs in die allnächtliche Unterweltsreise und morgendliche Wiederauferstehung der Sonne. Auch für Laien gut verständlich werden die Glaubenszusammenhänge und ihre bestimmten Konventionen unterworfene bildliche Wiedergabe erläutert, so dass man am Ende das Gefühl hat, sich in der aus der Außenperspektive bisweilen verwirrenden altägyptischen Götter- und Mythenfülle ein wenig besser zurechtzufinden als bisher. Nur eines dieser Unterweltsbücher, das sogenannte Amduat, ist dabei in einer vollständigen schematischen Umzeichnung all seiner zwölf Szenen auch als Bildmaterial beigegeben. Hornung beschreibt allerdings alles so präzise, dass man das Fehlen eines in anderen Bänden der Reihe C.H. Beck Wissen durchaus vorhandenen Tafelteils allenfalls kurz bedauert. Ungünstig ist dagegen, dass die einzige Karte im Buch sich auf den Ostteil des Tals der Könige beschränkt, während die Legende auch Gräber erfasst, die im Westteil liegen (wie das des Pharaos Aja / Eje), so dass man hier in die Situation geraten kann, auf der Karte vergeblich nach einer in der Legende genannten Nummer zu suchen.
Auf den Hauptteil des Buchs folgen kurze Abschnitte zu Götterdarstellungen abseits der religiösen Bücher, Sarkophagen, Grabbeigaben und Grabraub, Königsmumien und dem eigentlichen Bau der Gräber. Wer sich allerdings speziell für eines dieser Themen interessiert, muss zu ausführlicheren und tiefergehenden Werken greifen, denn hier sind sie erkennbar nur als knappe Ergänzung zu den hauptsächlichen Untersuchungsgegenständen behandelt.
Bei den Schwerpunkten, die er setzt, ist Hornung jedoch ein kenntnisreicher und anregend formulierender Reisebegleiter in eine fremde Welt, der vor allem die Kunst, Bilder nur aus Worten entstehen zu lassen, sehr gut beherrscht. Als Einstieg in Jenseitsvorstellungen und Grabarchitektur des Alten Ägypten ist Das Tal der Könige daher auf jeden Fall zu empfehlen.
Erik Hornung: Das Tal der Könige. 2., durchges. Aufl. München. C.H. Beck, 2010, 125 Seiten.
ISBN: 9783406479953