Mit dem kurzen Band Das alte Ägypten legt der bekannte Ägyptologe Hermann A. Schlögl eine ebenso kompakte wie gut lesbare Einführung in die Geschichte des Landes am Nil vor. Der zeitliche Rahmen reicht dabei von den prähistorischen Funden von Merimde aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. bis zum Selbstmord der Kleopatra 30 v. Chr., nach dem Ägypten ins römische Reich eingegliedert wurde.
Ein einleitendes Kapitel stellt zunächst die Rahmenbedingungen vor, die dafür sorgten, dass die ägyptische Kultur – ungeachtet aller Veränderungen im Kleinen – über Jahrtausende hinweg relativ konstant bleiben konnte. Prägend waren nicht nur die naturräumlichen Gegebenheiten, die in Abhängigkeit von der alljährlichen Nilüberschwemmung ein Leben auf einem relativ eng begrenzten Gebiet erzwangen, sondern auch die durch eine früh entwickelte Schrift festgehaltenen und weitergegebenen religiösen Vorstellungen. Die darauf gründende, äußerst traditionsbewusste Gesellschaft hatte aus heutiger Sicht teilweise fragwürdige Züge (wie etwa die eher distanzierte bis ablehnende Haltung Nichtägyptern gegenüber oder die stark hierarchische Sozialordnung), daneben aber auch positive Eigenheiten, z.B. die für antike Verhältnisse ungewöhnlich starke Stellung der Frau.
Im Anschluss an diese Skizzierung der Grundzüge des altägyptischen Lebens wird die historische Entwicklung vom Alten über das Mittlere bis hin zum Neuen Reich geschildert. Während allein schon aufgrund der Quellenlage über weite Strecken die Pharaonen und ihr unmittelbares Umfeld im Mittelpunkt stehen, ist Schlögl auch immer wieder bemüht, Einblicke in das Dasein einfacher Leute zu gewähren. Gut möglich ist das etwa für die Siedlung von Deir el-Medineh, in der zur Zeit des Neuen Reichs die Arbeiter, die Gräber im Tal der Könige bauten und ausschmückten, mitsamt ihren Angehörigen lebten. Von Schreiberkarrieren über ungewollte Kinderlosigkeit und Erbschaftsregelungen bis hin zu Verbrechen werden hier zahlreiche Alltagsphänomene greifbar.
Ohnehin widmet Schlögl sich mit besonderer Sorgfalt der Schilderung der 18. Dynastie, der so bekannte Persönlichkeiten wie Hatschepsut, Echnaton und Tutanchamun angehörten, und der 19. Dynastie der Ramessiden. Neben der Fülle von Schriftzeugnissen und archäologischen Funden, die für diese Epoche zur Verfügung stehen, dürften bei dieser Schwerpunktsetzung auch die speziellen Forschungsinteressen des Autors eine Rolle spielen, der unter anderem zur Amarnazeit und zu Ramses II. publiziert hat.
Relativ schnell abgehandelt wird dagegen die von der Dominanz fremder Eroberer geprägte Spätzeit einschließlich der Ptolemäerherrschaft, und hier stolpert man an einzelnen Stellen auch über Details, die vom Mainstream der Forschung abweichen (z.B. wird Kleopatra nicht, wie sonst üblich, als VII., sondern als VIII. Herrscherin dieses Namens geführt, und die Namensform „Gnaeus Publius Pompeius“ für Caesars politischen Gegenspieler wirkt zumindest ungewöhnlich).
Nicht zu überlesen ist im gesamten Buch Schlögls tiefe Liebe zur ägyptischen Kunst, die er immer wieder mit einer Begeisterung beschreibt, die sich auf sein Publikum übertragen dürfte. Abbildungen der erwähnten Werke fehlen leider (wie überhaupt an Illustrationen nur jeweils eine Karte Ober- und Unterägyptens beigegeben ist). Dafür finden sich jedoch andere gerade für Laien extrem hilfreiche Angaben: So wird ein Großteil der altägyptischen Personennamen bei der ersten Erwähnung übersetzt, und bei archäologischen Funden ist in der Regel minutiös aufgeführt, in welchem Museum sie heutzutage aufbewahrt werden.
Alles in allem erfährt man so trotz der Kürze des Buchs recht viel über das alte Ägypten. Als erste Orientierungshilfe beim Zurechtfinden in den vorchristlichen Jahrtausenden am Nil ist es daher glänzend geeignet.
Hermann A. Schlögl: Das alte Ägypten. München, C. H. Beck, 5., durchges. Aufl. 2019, 144 Seiten.
ISBN: 978-3406731730