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Das Lied der Tollpatsche

Die Friedensfestspiele sind das Großereignis im Herbstgebirge: Angehörige der unterschiedlichsten Völker kommen hier zusammen, um Handel zu treiben und einen Sängerwettstreit auszutragen. Erle Zapf, die zu den von Zwergen und Menschen abstammenden Dappen gehört, ist allerdings nicht in Feierlaune. Dass ihr Vater unbedingt die Gelegenheit nutzen will, einen Ehemann für sie zu suchen, verdirbt ihr die Stimmung gründlich. Mit ihrem kleinen Neffen Brun eine Runde über den Markt zu drehen und dabei Ausschau nach der Zwergenfrau Nork zu halten, in die sie heimlich verliebt ist, bietet eine willkommene Abwechslung. Doch das Wiedersehen mit Nork verläuft nicht wie erhofft, und dann kommt auch noch Brun im Gedränge abhanden. Erle muss sich auf die Suche nach ihm machen und gerät in ein Abenteuer, das ihr Leben von Grund auf verändern wird …

Iva Moor erzählt in Das Lied der Tollpatsche eine sympathische Geschichte, in der eine junge Frau trotz aller Vorurteile zwischen den einzelnen Gemeinschaften und innerhalb davon lernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf inneren Entwicklungen und zwischenmenschlichen (bzw. -dappischen und -zwergischen) Beziehungen, denn auch wenn im Zuge von Bruns Verschwinden durchaus eine lebensgefährliche Situation zu bewältigen ist, sind ihre langfristigen Auswirkungen auf Erle und Nork und das Verhältnis der beiden zueinander weit zentraler als jede vordergründige Action. Dass manches aufgrund der Kürze der Geschichte, die nur etwa 30 Seiten umfasst, eher angedeutet als detailliert ausgeführt ist, schadet nicht, denn Ivar Moor versteht sich darauf, auch in kleine Gesten und Bemerkungen viel zu legen und ihr Lesepublikum daraus seine Schlüsse ziehen zu lassen.

Neben der einfühlsamen Figurenzeichnung liegt die Stärke der Erzählung in ihrem Weltenbau, der jede Menge netter Einfälle bietet. So lernt man nicht nur die im Textilhandwerk höchst erfolgreichen, aber ansonsten unter den Zwergen als Tollpatsche verschrienen Dappen kennen (die etymologisch vielleicht mit dem Dilldapp verwandt sind), sondern auch geschlechtsspezifische zwergische Bartmoden, eine ganz besondere Wirkung von Musik und Norks als Spürhundersatz dienendes Pirkel (eine ebenso niedliche wie charaktervolle Mischung aus Hermelin und Schweinchen).

Als schnelle Lektüre für zwischendurch, die einen an die schönen und fabulierfreudigen Seiten eines heute oft auf düstereren Wegen wandelnden Genres erinnert, ist Das Lied der Tollpatsche daher genau richtig und macht Lust auf mehr aus Iva Moors Feder.

Iva Moor: Das Lied der Tollpatsche. Wien, Littera Magia, 2021 (E-Book).
ISBN: 978-3-9864-7774-5


Genre: Erzählung