Seit der Antike zählen Ovids Metamorphosen zu den meistrezipierten Dichtungen und dienen nicht nur als Schul- und Studienlektüre, sondern auch als Inspirationsquelle für Kunst und Literatur. Niklas Holzberg bietet eine kompakte Einführung in das Werk, das er sachkundig in das Wenige einbettet, was über das Leben seines Autors bekannt ist. Insbesondere die Frage, ob Ovid die Metamorphosen schon in Rom vollendete oder noch daran arbeitete, nachdem er von Augustus ans Schwarze Meer verbannt worden war, wird dabei mehrfach aufgeworfen, ohne dass Holzberg zu einer letztgültigen Antwort darauf gelangt.
Der Aufbau seiner Einführung folgt dabei dem der Metamorphosen selbst, die sich in drei elegant miteinander verbundene Fünfergruppen (Pentaden) von Büchern gliedern, deren episodische Handlung einen Zeitraum von der Erschaffung der Welt bis zum Tod Caesars im Jahr vor Ovids Geburt abdeckt. Erzählt werden die bekanntesten Verwandlungsgeschichten der antiken Mythologie. Holzberg zeichnet interpretierend den Inhalt der einzelnen Abschnitte nach und würdigt pro Pentade jeweils eine Geschichte einer eingehenderen Analyse: die Sage um Apollo und Daphne in der ersten, die um Dädalus und Ikarus in der zweiten und die Apotheose Caesars in der dritten Pentade.
Im Zentrum von Holzbergs Deutung steht dabei der Blick auf Ovid als Meister des literarischen Spiels, der in seinem epischen Werk nicht nur augenzwinkernd die zuvor in der elegischen Liebesdichtung gewonnenen Schreiberfahrungen mit anbringt, sondern bei seiner Leser- oder Hörerschaft auch solide Kenntnisse anderer antiker Autoren (vor allem Homer und Vergil) voraussetzt. Ovids oft spöttische Aufbereitung von Mythen und Sagen erweist sich als anspielungsreich und sprachlich brillant, inhaltlich aber oft irritierend, so etwa, wenn er Vergewaltigungen oder brutale Strafen, die nicht immer nur die eigentlich Schuldigen treffen, eher mit voyeuristischem Verve und boshaftem Humor ausmalt, als Empathie für die Opfer erkennen zu lassen. Insbesondere in diesem Kontext weiß Holzberg das Spannungsverhältnis zwischen dem bis heute ungebrochenen ästhetischen Reiz der Verse und der unseren moralischen Vorstellungen doch in manchen Belangen fremden Weltanschauung der Antike kenntnisreich auszuloten.
Etwas schade ist, dass Holzberg Ovid und andere Primärtexte überwiegend nur in deutscher Übersetzung zitiert, und das nicht nur an Stellen, an denen er inhaltlich argumentiert, sondern auch dann, wenn er z.B. auf die Metrik eingeht. Hier mag man vielleicht die gelungenen Nachschöpfungen der deutschen Version bewundern, hätte aber doch lieber (auch) das lateinische Original gesehen.
Ungeachtet dieser kleinen Schwäche bieten Ovids Metamorphosen einen lehrreichen und zugleich durchaus humorvoll und unterhaltsam geschriebenen Einstieg in die Welt des augusteischen Dichters. Neben der Auseinandersetzung mit den Metamorphosen selbst kann der kurze Band übrigens auch recht gut dazu dienen, ein paar grundlegende Mythologiekenntnisse zu gewinnen oder aufzufrischen, denn in Holzbergs knappen Zusammenfassungen treten die wichtigsten Züge vieler beliebter Sagen prägnant hervor.
Niklas Holzberg: Ovids Metamorphosen. 2., durchges. Aufl. München, C.H. Beck, 2016 ,128 Seiten.
ISBN: 978-3406536212