Das hier rezensierte Buch ist Teil einer Reihe. Ein weiterer Band ist auf Ardeija.de bereits hier besprochen worden.
Die Begleithefte zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle bieten nicht nur schöne Abbildungen der dort aufbewahrten Funde, sondern sind zugleich auch kleine, kompakte Einführungen in die jeweils vorgestellte Epoche. Der Band Königsdämmerung, in dem Arnold Muhl und Ralf Schwarz sich mit dem kurzlebigen Thüringerreich des Frühmittelalters befassen, bildet da keine Ausnahme.
Nur etwa 80 Jahre oder zwei Königsgenerationen lang, bis zur Eroberung durch die Franken im Jahre 531, bestand das Reich der Thüringer, war aber während seiner Existenz nicht nur durch kriegerische Aktionen, sondern auch durch Migration sowie zahlreiche kulturelle und diplomatische Kontakte in die Welt seiner Zeit eingebunden, wie vor allem reich mit Beigaben versehene Bestattungen belegen, von denen eine aus dem Ort Stößen mit prächtigem Spangenhelm hier sogar als die des Berthachar, der im 6. Jahrhundert ein thüringisches Teilkönigreich beherrschte, angesprochen wird.
Mag es auch keine letztgültigen Belege für diese Identifizierung geben, ist sie natürlich attraktiv, aber auch abgesehen davon beeindrucken an dem Band vor allem die edel auf schwarzem Hintergrund präsentierten Fundfotos. Eine besondere Rolle spielen dabei die gerade für die Frauentracht bedeutenden und auch als Zugehörigkeits- und Abstammungssymbole genutzten Fibeln, die in großer Auswahl gezeigt werden. Neben diesem prachtvollen Schmuck aus den Gräbern der Oberschicht treten Funde, die Aussagen über das Alltagsleben gestatten, etwas in den Hintergrund, aber es sind auch Gefäße, Kämme, Gegenstände aus dem Bereich der Textilherstellung (wie Spinnwirteln oder Webschwerter), Waffen und Amulettanhänger, die etwas über die Glaubensvorstellungen, bei denen sowohl Paganes als auch Christliches fassbar ist, verraten, im Buch vertreten.
In die Darstellung eingebettet sind immer wieder auch Auszüge aus den Schriftquellen, über denen sich etwas über das Thüringerreich erschließen lässt. Teilweise geschieht das sehr effektvoll. Die Entscheidung, den Band mit Auszügen aus den Klageliedern enden zu lassen, die Venantius Fortunatus aus Perspektive der im Zuge der Eroberung verschleppten und zur Heirat mit dem fränkischen König Chlothar gezwungenen Thüringerprinzessin Radegunde, deren Vertrauter er war, verfasste, macht eindringlich deutlich, wie sehr mit den unruhigen Zeiten der fränkischen Expansion individuelles und kollektives menschliches Leid verbunden war.
Amüsant ist dagegen, dass ein zweimal zitierter Brief des Ostgotenkönigs Theoderich anlässlich der Heirat seiner Nichte Amalaberga mit dem Thüringerkönig Herminafried in zwei sehr verschiedenen Übersetzungen bemüht wird (S. 11 und S. 83, leider ohne direkte Quellenangabe, um welche es sich jeweils handelt – hier muss man angesichts des Literaturverzeichnisses raten). Das hat zwar den Vorteil, erkennbar werden zu lassen, wie viel Interpretation in den Übertragungen historischer Quellen in moderne Sprachen steckt und welche Deutungsspielräume sie daher auch zulassen, überrascht aber in einem an ein allgemeines Publikum gerichteten, eher zur niedrigschwelligen Einführung in das Thema gedachten Werk dann doch.
Von dieser kleinen Merkwürdigkeit abgesehen, bietet Königsdämmerung einen gelungenen Einstieg in die Beschäftigung mit einem frühmittelalterlichen Gemeinwesen, das oft nicht so im Fokus des Interesses steht wie die zeitgleichen gotischen und fränkischen Reichsbildungen.
Arnold Muhl, Ralf Schwarz: Königsdämmerung. Das frühmittelalterliche Thüringerreich. Hrsg. von Harald Meller. Begleithefte zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle Bd. 8. Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, 2022, 128 Seiten.
ISBN: 978-3-948618-50-6