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The First Fossil Hunters

Fossilien und die griechisch-römische Antike sind zwei Themenkomplexe, die eher selten in einem Atemzug genannt werden. Adrienne Mayor beweist in The First Fossil Hunters jedoch, dass es sich lohnt, der Frage nachzugehen, wie die Menschen des Altertums mit Fossilienfunden umgegangen sind, denn die Spurensuche fördert Interessantes und Überraschendes zutage.

Eine Hürde muss man bis dahin allerdings erst einmal nehmen: In ihrer Einleitung klopft Mayor sich etwas zu ungeniert dafür auf die Schulter, die Wissenschaft diesbezüglich ein gutes Stück vorangebracht zu haben. Hat man diese Selbstbeweihräucherung überstanden, beginnt jedoch eine recht spannende Mischung aus Forschung und persönlicher Entdeckungsreise.

Zum Ausgangspunkt nimmt Mayor den Greifen, ein Mischwesen aus Adler und Raubkatze, das für sie unter den Fabeltieren der Antike eine Sonderstellung einnimmt: Anders als bei Sphinx, Pegasus und anderen vergleichbaren Kreaturen gibt es keine Sagen um einen konkreten Greifen, sondern nur literarische Überlieferungen über angeblich goldhütende Greifen allgemein im asiatischen Raum. Mayor bringt diese Schilderungen mit in derselben geographischen Region offen zutage tretenden Funden von Dinosaurierfossilien der Gattung Protoceratops in Verbindung. Diese Knochen – so ihre spekulative, aber durchaus bestechende These – könnten die im Altaigebiet siedelnden Nomaden zu Geschichten über vierfüßige, aber mit einem Schnabel versehene Tiere, mithin also Greifen, inspiriert haben, eine Fossiliendeutung, die sich dann verselbständigt und bis zu anderen Völkern verbreitet habe.

Während für diese Theorie, deren entscheidender Zwischenschritt von der heute nicht mehr zu belegenden mündlichen Überlieferung einer schriftlosen Kultur abhängt, letztgültige Beweisen fehlen, kann Mayor im Folgenden Texte und paläontologische Funde direkter zusammenbringen, wenn sie untersucht, inwieweit Schriftquellen, die von der Entdeckung ungewöhnlicher Gebeine berichten, tatsächlich von Orten berichten, an denen bis heute immer wieder Überreste von Mammuts, prähistorischen Giraffen oder anderen urzeitlichen Tieren zum Vorschein kommen. Tatsächlich scheint hier die Überschneidung sehr groß zu sein, so dass man davon ausgehen kann, dass Griechen und Römer auf Fossilien stießen und sie im Rahmen ihres Weltbilds zu interpretieren versuchten.

Einige der für übergroße Knochen gefundenen Erklärungen muten nach heutigem Kenntnisstand naiv an (so glaubte man mehrfach, auf die Überreste von Riesen oder hünenhaften Helden der Vorzeit gestoßen zu sein). In anderen Fällen dagegen war man auch in der Antike schon mit Funddeutungen bemerkenswert nahe an der Wahrheit. So verband sich z.B. mit einer Fundstätte von Fossilien prähistorischer Elefantenarten in Griechenland die Sage, der Gott Dionysos habe Elefanten aus Indien dorthin geführt, um sie in den Kampf gegen die Amazonen zu schicken. Hier war man trotz aller mythischen Verbrämung schon sehr nahe daran, das korrekte Tier zu identifizieren.

In manchen Fällen ist sogar archäologisch erwiesen, dass in der Antike Fossilien entdeckt und als etwas Besonderes betrachtet wurden. So wurden etwa auf der griechischen Insel Samos und in Ägypten Fossilien gezielt als Weihegaben in Tempeln deponiert. Einen interessanten indirekten Beleg bildet auch eine Vasenmalerei, die Herakles im Kampf mit einem Monster zeigt, dessen Kopf in der Art eines fossilen Schädels dargestellt ist.

Ein Ausblick auf das umgekehrte Spiel mit Sagen und Fabelwesen – nämlich die antiken wie modernen Versuche, teils mit Fälschungsabsicht, teils nur im Scherz „Beweise“ dafür wie etwa ein vermeintliches Zentaurenskelett zu fabrizieren – beschließt Mayors Blick auf den Umgang mit Fossilien im Altertum, führt aber zugleich schon inhaltlich ein gutes Stück weit davon weg. Insgesamt bieten die First Fossil Hunters aber dennoch anregende Lektüre, die einem Lust darauf macht, tiefer ins Thema einzusteigen.

Adrienne Mayor: The First Fossil Hunters. Dinosaurs, Mammoths, and Myth in Greek and Roman Times. With a new introduction by the author. Princeton und Oxford, Princeton University Press, 2011, 362 Seiten.
ISBN: 978-0-691-15013-0


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur

The Amazons. Lives and Legends of Warrior Women across the Ancient World

Die Amazonen – ein kriegerisches Frauenvolk mit teilweise recht rauen Sitten – sind ein unverzichtbarer Bestandteil der antiken Mythologie. Dass die zahlreichen Geschichten um sie einen wie auch immer gearteten wahren Kern haben könnten, wird jedoch in der Forschung oft bestritten. Dieser Position stellt Adrienne Mayor in The Amazons die differenzierte und durchaus überzeugende These entgegen, dass der eigentliche Ursprung der griechischen Amazonenvorstellung zwar nicht mehr fassbar ist, ihre spätere Ausgestaltung aber in hohem Maße von realen Phänomenen beeinflusst war.
Auch Mayor nimmt die allgemein bekannten Sagen zum Ausgangspunkt, zeigt aber auf, dass die tragischen Schicksale von Penthesilea, Hippolyte oder Antiope nur einen Bruchteil der antiken Überlieferung über die Amazonen darstellen und noch nicht einmal unbedingt repräsentativ sind.
Während in den meisten heute noch berühmten Amazonenmythen nämlich stereotyp die Kriegerin von einem männlichen Helden (wie etwa Achill oder Herakles) besiegt wird, sieht es in der Kunst, in historiographischen Texten, in Stadtgründungssagen oder im lokalen Kult um Amazonengräber oft anders aus. Hier treten Amazonen in vielfältigen, durchaus auch positiv konnotierten Rollen auf und bleiben nicht das faszinierende, am Ende aber doch überwundene Gegenbild zur erwünschten Gesellschaftsordnung.
Bemerkenswert ist daran, dass ab dem 6. Jh. v. Chr. insbesondere in der Vasenmalerei, aber auch in manchen Sagen Details etwa der Bekleidung und Bewaffnung aufscheinen, die Amazonen in den skythischen Kulturraum verweisen.
Mayor vergleicht diese Darstellungen daher mit den reichhaltigen archäologischen Funden aus den Bestattungen eurasischer Steppennomaden, insbesondere der Skythen und Sarmaten, mit denen die Griechen am Schwarzen Meer direkt in Berührung kamen. Zwar gab es unter den Nomaden kein reines Frauenvolk wie die mythischen Amazonen, aber im Vergleich zu den rigiden altgriechischen Geschlechterrollen waren Aufgabenverteilung und Beziehungen zwischen Mann und Frau hier flexibler und einem gewissen Maß an Gleichberechtigung näher. So deuten Grabbeigaben und die Abnutzungsspuren an den Überresten Verstorbener darauf hin, dass es weitreichende Überschneidungen zwischen traditionell als „männlich“ und „weiblich“ eingestuften Tätigkeitsfeldern gab: Frauen konnten an Kämpfen und Jagden ebenso beteiligt sein wie umgekehrt Männer an Textilherstellung und Kinderbetreuung.
Den mit dieser  für sie fremden Welt konfrontierten Griechen – so Mayors ansprechende zentrale Vermutung – mögen die unabhängigen und kämpferischen Frauen wie sagenhafte Amazonen erschienen sein, so dass diese in der Folgezeit mit diversen Charakteristika der echten Nomadinnen ausgestattet wurden. Bestechend ist in dem Zusammenhang vor allem die Beobachtung, dass bisher von der Wissenschaft als Nonsens-Inschriften abgetane Buchstabenfolgen auf Amazonenvasen durchaus einen Sinn ergeben – allerdings nicht auf Griechisch, sondern als Eigennamen oder kurze Äußerungen aus Sprachen des eurasischen Steppenraums.
Überall in diesem Gebiet und an seiner Peripherie berichten sowohl Mythen als auch glaubhafte Quellen die gesamte Antike hindurch immer wieder von Kämpferinnen. Mayor trägt hier eine Fülle von Details zusammen, und so lernt man die Nartensagen des Kaukasus ebenso kennen wie angebliche „Amazonen“, denen Alexander der Große und Pompeius begegneten, oder heute eher unbekannte Einzelpersönlichkeiten wie Hypsikratea, die letzte Ehefrau des Mithridates VI. von Pontus, die ihren Mann unter anderem als Reiterkriegerin unterstützte.
Eine reiche Bebilderung mit Kartenmaterial sowie Fotos von Kunstwerken und archäologischen Funden (teilweise in Farbe) rundet den schönen Band ab.
Was dem Buch fehlt, ist ein Schlusswort oder Fazit. Der Text endet recht unvermittelt nach der Schilderung von Heldinnen der chinesischen Geschichte und Mythologie, und man wünscht sich, Mayor hätte hier noch einmal Folgerungen aus der Darstellung gezogen oder zumindest ihre bisherigen Ergebnisse zusammengefasst. Durch diesen Verzicht behalten die Amazons ein wenig den Charakter einer mit viel Verve und Akribie zusammengetragenen Materialsammlung, deren Verdienst es ist, das in Archäologie und Geschichte oft allenfalls als Kuriosum am Rande behandelte Thema kriegerischer Frauen in der Antike in den Mittelpunkt zu rücken und in seiner kulturellen Bedeutung fassbar zu machen.

Adrienne Mayor: The Amazons. Lives and Legends of Warrior Women Across the Ancient World. Princeton und Oxford, Princeton University Press, 2016 (vorliegende Ausgabe; Original: 2014), 519 Seiten.
ISBN: 9780691147208


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur