Nacherzählungen und Abwandlungen von Jane Austens Pride and Prejudice (dt. Stolz und Vorurteil) gibt es wie Sand am Meer. In die große Schar der Austen-Epigonen reiht sich Elle Katharine White mit Heartstone ein, das die Handlung des Klassikers in eine Welt voller Fabelwesen und übernatürlicher Bedrohungen verlegt.
Hier sind es also Aliza Bentaine, Tochter des Schreibers eines Gutsherrn, und der adelsstolze Drachenreiter Alistair Daired, die sich erst ganz und gar nicht grün sind und doch irgendwie nicht voneinander lassen können. In den Grundzügen folgt der Ablauf der Geschehnisse dabei so eng dem Original, dass sich eine Inhaltszusammenfassung erübrigt – abgesehen von dem Hinweis, dass es die Bedrohung durch ein mordlüsternes Greifenrudel ist, die Daired und seine Freunde überhaupt erst in die Umgebung der Bentaine-Schwestern führt und dass die Umdeutung der Geschichte an einem der anscheinend unausrottbaren Grundübel des Fantasygenres krankt: Ohne ein gerüttelt Maß an Gewalt und Blutvergießen inklusive obligatorischer Entscheidungsschlacht scheint es für viele Autorinnen und Autoren (und ihre Leserschaft) einfach nicht zu gehen.
Das unter diesen Umständen die psychologische Durchdringung und der subtile Witz des Vorbilds weder erreicht noch überhaupt angestrebt werden, ist aber noch nicht einmal das Hauptproblem. Vielmehr ergeben sich gewisse Schwierigkeiten daraus, den Plot in eine völlig andere Kulisse zu verpflanzen, und wie gut White sie meistert, schwankt je nach Situation. Da in der Welt von Heartstone Studium, Berufsausbildung und militärische Karriere auch Frauen offenstehen, wirkt es unverständlich, dass die Bentaine-Schwestern überwiegend gar nicht daran denken, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die schrillen Versuche der Mutter, ihre Kinder unter die Haube zu bringen, verlieren die Berechtigung, die sie bei Austen darin finden, dass eine Heirat die einzig mögliche wirtschaftliche und soziale Absicherung für eine Frau darstellt. Im Fall von Alizas Freundin Gwyn (die der Charlotte Lucas des Originals entspricht) ist White das damit einhergehende Glaubwürdigkeitsproblem wohl selbst klar, führt sie doch eine nie befriedigend aufgelöste Nebenhandlung um Unterschlagung und Schulden ein, um plausibel zu machen, warum Gwyn den Antrag eines auf den ersten Blick nicht sehr verheißungsvollen Verehrers bereitwillig annimmt.
Trotz dieser Schwächen hat Heartstone aber durchaus seine unterhaltsamen Elemente. Sprachlich ist der Roman gelungen, die Welt hat charmante Details wie von Kobolden und Wichteln bevölkerte Gärten zu bieten, und solange man nicht zu sehr nachdenkt und zu den oben skizzierten Schlüssen kommt, liest sich die Geschichte flüssig und streckenweise vergnüglich (etwa bei der Schilderung eines Besuchs in einer von Feuergeistern betriebenen Schmiede). Auch einige Nebenfiguren erfahren eine interessante Umdeutung. So erweist sich z.B. die spröde Gelehrsamkeit von Alizas Schwester Mari (Mary) zwar auch hier als gesellschaftlich hinderlich, aber zugleich als extrem hilfreich im Umgang mit übernatürlichen Wesen. Die Protagonisten jedoch gewinnen keine sonderlich spannenden neuen Facetten hinzu, die über eine merkliche Vergröberung und Übersteigerung der schon bei Austen angelegten Züge hinausgehen.
Insgesamt wünscht man sich deshalb nach der Lektüre, White hätte ihr unbestreitbar vorhandenes Schreibtalent und ihre Fabulierfreude in ein originelleres Buch gesteckt, statt zu versuchen, ein altes Erfolgsmodell nachzuahmen und dabei immer wieder zu straucheln. Dem derzeitigen Lesegeschmack insbesondere in der Fantasy dürfte die Konzentration auf Action, Dramatik und Unkompliziertheit allerdings entgegenkommen, so dass Heartstone sicher durchaus seine Fans finden wird – allerdings wohl eher unter denjenigen, die Austen nie gelesen haben.
Elle Katharine White: Heartstone. New York, Harper Voyager (HarperCollins), 2016, 337 Seiten.
ISBN: 978-0062451941