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Häfen für die Ewigkeit

Jean-Claude Golvins ebenso präzise wie ästhetisch ansprechende Rekonstruktionszeichnungen antiker Architektur und Topographie gehören zu den schönsten ihrer Art. Wie gut seine einprägsamen Darstellungen mit den Texten von Gérard Coulon harmonieren, hat schon ihr gemeinsamer Bildband Architekten des Imperiums bewiesen. Die Erwartungen, mit denen man ihr neues gemeinsames Werk Häfen für die Ewigkeit zur Hand nimmt, sind also von vornherein hoch, werden aber mühelos übertroffen.

Wie der Untertitel verrät, steht im Mittelpunkt des von Birgit Lamerz-Beckschäfer kenntnisreich und gut lesbar ins Deutsche übersetzten Buchs die Maritime Ingenieurskunst der Römer. Denn auch wenn man die Römer – anders als etwa die Griechen oder die Phönizier bzw. Karthager – vielleicht nicht auf den ersten Blick zu den großen Seefahrern der Antike zählen würde, brillierten sie im Hafenbau, und ihre diesbezüglichen Leistungen werden hier allgemeinverständlich beschrieben.

Nach einer Einleitung, die sich mit den technischen Herausforderungen des Bauens im Meer mit den Mitteln der Antike befasst, führt ein erstes Kapitel in den Bau von Häfen allgemein ein, während der nächste Abschnitt mit der Versandung von Häfen ein bis heute immer wieder aktuelles Problem in den Blick nimmt. Jeweils einzelne Kapitel widmen sich den verschiedenen Komponenten von Häfen, von Wellenbrechern und Molen über Kais, Lagerhäuser und Leuchttürme bis hin zu Werften. Im Anschluss daran werden wichtige römische Häfen an unterschiedlichen Küsten des Mittelmeers (Leptis Magna, Fréjus, die Häfen im Golf von Neapel, Portus und Ostia) genauer vorgestellt. Ein letztes Kapitel widmet sich dann noch zwei Kuriosa unter den Aufgaben der römischen Marine, dem moralisch sicher fragwürdigen, aber in technischer Hinsicht beeindruckenden Abtransport kompletter Obelisken aus Ägypten einerseits und der Bedienung der großen Sonnensegel, die Besucher von Amphitheatern schützten, andererseits. Der Epilog weist noch auf weitere Formen mit dem Wasser in Zusammenhang stehender Bauten (z. B. Fischteiche) hin.

Bei der Lektüre wird deutlich, dass zwar Teile römischer Häfen erhalten und daher archäologisch zu erschließen sind, dass aber in den vorhandenen Schriftquellen oft die genaue technische Vorgehensweise beim Hafenbau nicht geschildert wird, auch wenn es bemerkenswerte Momentaufnahmen gibt (so war z. B. Plinius der Jüngere Augenzeuge des Baus einer Mole in Civitavecchia). Ausgerechnet Vitruv, dessen Werk die Quelle schlechthin zur römischen Baukunst ist, scheint sich mit Hafenanlagen nicht besonders gut ausgekannt zu haben. So müssen oft moderne Überlegungen und Experimente weiterhelfen, um zu rekonstruieren, wie die Römer bestimmte Probleme gelöst haben könnten. Die Vorschläge, die Gérard Coulon dazu entwickelt, wirken zumindest aus Laiensicht durchaus überzeugend.

Vor allem aber machen Jean-Claude Golvins wunderbare Bilder das Buch aus, und auch abseits des Interesses an den Forschungen zum antiken Hafenbau bereitet es einfach viel Freude, seine Ansichten etwa von Karthago, Alexandria oder aber auch Narbonne und Marseille zu betrachten. Zusätzlich sind zahlreiche Fotos enthalten, die vorwiegend erhaltene Überreste römischer Bauwerke, aber auch Einzelfunde (wie z. B. Schiffswracks oder Münzen mit Hafendarstellungen) zeigen. Der Ausflug in die römische Antike besticht daher durch seine große Anschaulichkeit, und gerade der Reiz der Bilder verlockt dazu, den Band auch nach dem ersten Lesen noch einmal zur Hand zu nehmen.

Jean-Claude Golvin, Gérard Coulon: Häfen für die Ewigkeit Maritime Ingenieurskunst der Römer. Darmstadt, Philipp von Zabern (WBG), 2021, 224 Seiten.
ISBN: 978-3-8053-5321-2

 


Genre: Geschichte

Die Architekten des Imperiums

Mit dem römischen Heer der Antike assoziiert man gemeinhin zuallererst brutale Eroberungsfeldzüge, vielleicht auch noch seine Rolle als Kaisermacher oder die Sicherung der Grenzen und damit auch der Pax Romana im Innern des Reichs. Eine entscheidende Rolle spielten die Soldaten jedoch auch beim Aufbau der sowohl militärisch als auch zivil genutzten Infrastruktur des Imperiums. Es ist diese Perspektive, unter der Jean-Claude Golvin und Gérard Coulon die römische Armee in ihrem ansprechenden Bildband Die Architekten des Imperiums betrachten, wobei dem Buch der französische Originaltitel – Le génie civil de l’armée romaine – womöglich besser gerecht wird als der deutsche.

Die Einleitung befasst sich mit der Frage, aus welchen Gründen das Heer überhaupt bei Bauprojekten eingesetzt wurde. Neben dem Rückgriff auf das Expertenwissen von Architekten, Ingenieuren und Landvermessern im Militärdienst spielte dabei häufig auch die Zielsetzung eine Rolle, Soldaten in Friedenszeiten beschäftigt zu halten – nicht immer zu ihrer Freude. In den folgenden Kapiteln erfährt man etwas über die Arten von Bauwerken, an denen die römischen Soldaten besonders häufig mitwirkten: Kanäle, Aquädukte, Straßen und Brücken. Ein eigenes Kapitel ist dem Bauprojekt Trajans an der Donau gewidmet, das Straßen-, Brücken- und Kanalbau vereinte, bevor es abschließend um den Einsatz des Heeres in Bergwerken und Steinbrüchen geht, in denen die Soldaten nicht nur die unter oft unmenschlichen Bedingungen schuftenden Sklaven und Sträflinge bewachten, sondern bisweilen auch selbst mit anpacken mussten. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Gründung von Städten und Kolonien. Was sich in diese Kategorien nicht einordnen lässt (so z.B. der Bau eines Leuchtturms), findet sich im ausführlichen Nachwort.

Obwohl die Schattenseiten der römischen Zivilisation (wie etwa die unbarmherzigen Kriegszüge oder der wenig humane Umgang mit Gefangenen aller Art) nicht ausgespart werden, überwiegt in der Gesamtschau merklich die Begeisterung von Autor und Illustrator für die eindrucksvollen Leistungen der antiken Technik und Baukunst. Deren Faszination wird nicht nur in Coulons Beschreibungen und Golvins ebenso präzisen wie atmosphärischen Rekonstruktionszeichnungen deutlich, sondern ist auch aus Fotos von erhaltenen römischen Gebäuden bzw. Ruinen zu erahnen. Besonders anschaulich ist dabei, dass manche der Rekonstruktionsdarstellungen gestaffelt mehrere Arbeitsphasen in einem Bild zeigen, so dass man die einzelnen Entstehungsschritte eines Bauwerks gut nachvollziehen kann. Wer allerdings schon Jean-Claude Golvins Metropolen der Antike gelesen hat, wird mehrfach auch bereits bekannte Abbildungen wiederfinden (z.B. die Stadtansichten von Korinth oder Timgad). Da beide Bücher unterschiedliche Schwerpunkte setzen, stört das aber nicht weiter.

Während aus vielen erwähnten Einzelheiten – so etwa aus der Tatsache, dass Baumeister nur selten individuell fassbar sind – die Fremdheit der Antike spricht, drängen sich an anderen Stellen Parallelen zur Moderne auf. Wenn etwa quellennah geschildert wird, wie Nero beim Bau eines (durch das jähe Ende seiner Herrschaft unvollendet gebliebenen) Kanals durch den Isthmus von Korinth publikumswirksam den ersten Spatenstich führt, fühlt man sich durchaus an die Selbstinszenierung heutiger Politiker erinnert. Und wenn doch einmal am Bau beteiligte Einzelpersonen zu Wort kommen, zeigt sich, dass auch Eigenlob keine rein neuzeitliche Unsitte ist: Dem Veteranen Nonius Datus, der in einer Inschrift seine Leistungen als Ingenieur beim Bau eines Tunnels für einen Aquädukt herausstreicht, war Bescheidenheit jedenfalls ziemlich fremd.

Insgesamt bieten Die Architekten des Imperiums also alles für einen spannenden und lehrreichen Ausflug in die Römerzeit und dürften nicht nur eingefleischten Fans der Antike Spaß machen.

Gérard Coulon, Jean-Claude Golvin: Die Architekten des Imperiums. Wie das Heer ein Weltreich erbaute. Darmstadt, Philipp von Zabern (WBG), 2020 (Original: 2018), 176 Seiten.
ISBN: 978-3-8053-5220-8


Genre: Geschichte

Metropolen der Antike

Der Architekt und Archäologe Jean-Claude Golvin ist für seine ebenso präzisen wie atmosphärischen Aquarelle bekannt, in denen er das Aussehen antiker Gebäude und Städte rekonstruiert. Eine Vielzahl von ihnen ist in dem ansprechenden Bildband Metropolen der Antike versammelt, wobei der Titel allerdings etwas zu kurz greift: Neben den dort erwähnten großen Städten wie Rom, Athen oder Trier sind auch Darstellungen kleinerer Orte (etwa eines befestigen gallischen Dorfs auf der Insel Martigues) oder einzelner Bauwerke (so z.B. des berühmten Mausoleums von Halikarnassos) enthalten.

Wie Golvin in seinem Vorwort selbst erläutert, entspricht eine Rekonstruktion, und mag sie auch noch so akribisch archäologische Ergebnisse und topographische Gegebenheiten berücksichtigen, natürlich nie hundertprozentig der einstigen Wirklichkeit, da man in den seltensten Fällen eine komplette Stadt ergraben kann. So basieren Teile der Bilder immer auch auf Rückschlüssen, die man aus dem zweifelsfrei Bekannten ziehen kann, und plausiblen Vermutungen. Dementsprechend beschränkt sich ihre Funktion nicht auf strikte Wissenschaftlichkeit. Vielmehr sind sie für Golvin auch eine Art Einladung zu einer Zeitreise und zum Träumen, um sich dem Altertum auch emotional und immersiv zu nähern. Dazu eignen sich die von Hand gezeichneten und aquarellierten Illustrationen in der Tat wesentlich besser als die inzwischen allgegenwärtigen digitalen Rekonstruktionen, die oft kälter und weniger ansprechend wirken.

Zeitlich reicht der Rahmen vom alten Orient bis in die Spätantike (wobei die Römerzeit mit besonders vielen Beispielen vertreten ist), geographisch steht mit wenigen Ausnahmen der Raum des römischen Reichs im Mittelpunkt. Insbesondere kommt auch das sonst oft eher etwas stiefmütterlich behandelte römische Nordafrika zu seinem Recht. Jedem vorgestellten Ort bzw. Einzelbauwerk ist ein eigenes kurzes Kapitel gewidmet, das knapp, aber informativ historische, naturräumliche und architektonische Fakten skizziert. Die Übersetzung von Geneviève Lüscher und Birgit Lamerz-Beckschäfer liest sich dabei so flüssig und überzeugend, dass man oft vergisst, dass man es nicht mit einem schon im Original auf Deutsch verfassten Text zu tun hat. Immer ist mindestens eine Abbildung beigefügt (bei Städten aus der Vogelperspektive, bei individuellen Gebäuden oft auch aus der Sicht eines davorstehenden Betrachters). In manchen Fällen gibt es neben einer nummerierten Illustration mit Bildlegende auch noch einmal eine beschriftungsfreie Wiedergabe derselben Stadtansicht nur zum Genießen (häufig auf einer Doppelseite). Die Bildlegenden sind informativ, aber an einigen Stellen hatte hier leider der Fehlerteufel die Hand im Spiel (so bricht bei Olympia die Legende zu Ziffer 19, S. 79, einfach mitten im Satz ab, und bei der Abbildung des tunesischen Thugga sind im Bild, S. 144, 14 Ziffern vorhanden, während die Legende, S. 145, mit Ziffer 13 endet).

Insgesamt aber weiß die Bildreise einmal rund um das Mittelmeer und in angrenzende Regionen vorbehaltlos zu begeistern. Dieses Buch nimmt man sicher auch nach der ersten Lektüre noch oft zur Hand, sei es, um Details nachzuschlagen, sei es, um einfach nur in den wunderschönen Bildern zu schwelgen. Für alle an der Antike Interessierten kann man also nur eine eindeutige Lese- und Betrachtungsempfehlung aussprechen. Dieser Bildband lohnt sich!

Jean-Claude Golvin: Metropolen der Antike. 2., erw. Aufl. Darmstadt, Philipp von Zabern (WBG), 2019 (Original: 3., verb. und erw. Aufl. 2015), 240 Seiten.
ISBN: 978-3-8053-5184-3

 


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur