Die Chicagoer Ärztin Karen hat den Tod ihrer Frau noch kaum verwunden, tut aber ihr Bestes, ihrem kleinen Sohn Nick auch als Alleinerziehende eine gute Mutter zu sein. Körperliche Einschränkungen aufgrund eines Hüftleidens und ein stressiger Arbeitsalltag machen ihr das Leben nicht leichter. Da verspricht die Einladung zur Eröffnung der Kunstgalerie ihrer alten Schulfreundin Janet in San Francisco etwas Abwechslung. Zunächst lässt sich der Aufenthalt in der liberalen und weltoffenen Stadt gut an, und der Urlaub bei Janet und ihrem Mann Brad ist idyllisch. Doch in San Francisco wohnt auch Karens alte Liebe Kaylee. Als die beiden sich unverhofft wiedersehen, zeigt sich , dass längst noch nicht alle Gefühle zwischen ihnen erkaltet sind. Aber dann wirbelt ein tragischer Unfall das neu entstandene Beziehungsgeflecht um Karen gründlich durcheinander und zwingt sie, sich die Frage zu stellen, was sie wirklich empfindet – und für wen …
Jutta Swietlinskis Heimkehr zu ihr ist eine ungewöhnlicher Liebesroman, und das nicht nur, weil Ich-Erzählerin Karen – eine gestandene Frau über 40, die auch die Schattenseiten des Lebens zur Genüge kennt – wenig mit der typischen jugendlichen Heldin gemein hat. Zwar liest sich die Geschichte leicht weg und enthält von großen Gefühlen nicht ohne Pathos bis hin zu expliziten erotischen Szenen alles, was man aus dem Genre gewohnt ist, aber die Handlung folgt keiner starren Formel, sondern schildert eher, wie Karen inmitten teilweise dramatischer Ereignisse mit sich selbst und ihrem jeweiligen Verhältnis zu zwei sehr unterschiedlichen Menschen ins Reine kommt. Auch als schon klar ist, für wen Karen, deren Nachname „Winner“ angesichts der vielen großen und kleinen Katastrophen, mit denen sie fertigwerden muss, ironisch wirkt, sich entscheidet, nimmt Jutta Swietlinski sich die Zeit, die Geschehnisse ganz allmählich ausklingen zu lassen.
Dabei ist Liebe in Heimkehr zu ihr nicht unbedingt etwas Einfaches und Klares: Ob Sympathie und körperliches Begehren allein ausreichen oder nicht vielmehr eine bestimmte Form von Vertrauen und Verständnis eine viel größere Rolle spielt, wird ausgelotet, und auch die Auswirkungen von Schuldgefühlen auf eine Beziehung sind nicht ohne Bedeutung. Auch sonst entspricht Karen nicht unbedingt dem Klischee: Zwar liebt sie Frauen, aber schrille Pride-Paraden und alles, was damit einhergeht, sind für sie – anders als für die forsche Kaylee – nicht das Wahre.
In mehreren Passagen wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Ohne Karens von der Freundschaft mit Janet geprägte Jugend ist ihre Gegenwart nicht verständlich, und so wird verflochten mit der Jetztzeit des Romans Stück für Stück enthüllt, wie die beiden sich kennenlernten, ein gemeinsames Lieblingsmusical entdeckten, einen Trauerfall bewältigten und miteinander erwachsen wurden – aber auch, was sie auseinanderbrachte und bisher nicht aufgearbeitet ist. Auch die frühere, von Sinnlichkeit geprägte Beziehung zwischen Karen und Kaylee wird in Rückblicken beleuchtet.
Angesichts all der ernsten Themen, die im Roman behandelt werden und einem durchaus an die Nieren gehen können, ist es gut, dass hier und da ein Funke von Humor in Karens Erzählperspektive aufblitzt und mit dem niedlichen Nick und einigen kulinarischen Genüssen – an Pizza herrscht kein Mangel! – ein Ausgleich geboten wird. Am Ende jedenfalls überwiegt das Tröstliche, und eine Lektüre abseits des Gewohnten und schon vielfach Gelesenen ist Heimkehr zu ihr ohnehin.
Jutta Swietlinski: Heimkehr zu ihr. Fulda 2020, E-Book; auch als Taschenbuch (522 Seiten) erhältlich.
ISBN der Printausgabe: 979-8-6256-0214-3