Das zahme Krähenmännchen S. T. führt in Seattle ein zufriedenes Leben. Auf seinen Menschen Big Jim lässt S. T. nichts kommen, auch wenn er seinen zweiten Mitbewohner, den Bluthund Dennis, als Trottel ohne Manieren verachtet. Als plötzlich eine Zombieapokalypse über die Welt hereinbricht und auch mit Big Jim besorgniserregende Veränderungen vorgehen, erklärt S. T., der sich eher als Mensch ehrenhalber denn als Vogel versteht, es zu seiner Mission, ihn zu retten. Gemeinsam mit Dennis bricht er auf, um ein Heilmittel für Big Jim zu finden. Erst im Zuge zahlreicher Begegnungen mit anderen Tieren, unter denen ebenso viele eiskalte Killer wie unerwartete Verbündete sind, erkennt S. T. nach und nach, dass in dem radikal gewandelten Umfeld eine ganz andere Aufgabe auf ihn wartet – und dass er ihr nur gewachsen sein wird, wenn er sich damit abfindet, dass es kein Zurück in die vermeintlich gute alte Zeit mehr gibt …
Die Abkürzung „S. T.“ steht für „Shit Turd“, und der Name des Ich-Erzählers gibt den Ton für nahezu das gesamte Buch vor, das von Henning Ahrens gelungen ins Deutsche übersetzt wurde. Die Sprache ist mit Ausnahme einzelner Passagen äußerst deftig, und auch thematisch wird es bei allem schwarzen Humor oft genug ordinär und ziemlich blutig. Kira Jane Buxton holt nicht allein aus der Zombiethematik an Ekel und Grauen heraus, was nur irgend darinsteckt, sondern konfrontiert ihre tierischen Protagonisten auch in anderer Hinsicht immer wieder mit Tod und Verderben. Für manche Schilderungen braucht man einen guten Magen. Es ist wohl Geschmackssache, ob man sie als ungeschminkte Darstellung einer Situation empfindet, in der nach dem Ausfall des Faktors Mensch die Machtverhältnisse rabiat neu ausgehandelt werden, oder doch das Gefühl hat, dass die Lust am Schaurigen bisweilen zu sehr ausgereizt wird.
Wenn man diese vordergründige Ebene der Geschichte ausblenden oder gar goutieren kann, hat Hollow Kingdom aber durchaus interessante Ansätze zu bieten, und das nicht nur, weil es keine schlechte Idee ist, einmal eine Krähe in der Rolle des abgehalfterten und griesgrämigen Antihelden zu präsentierten, der sich als Auserwählter wider Willen auf eine Queste begeben muss, deren Tragweite ihm zunächst selbst gar nicht bewusst ist.
Kira Jane Buxton geht es auch um eine Warnung vor der in ihren Augen besonders durch die Digitalisierung beförderten Naturferne der Menschen, der für die Tiere „Hohlen“, die hier die Quittung dafür präsentiert bekommen, indem sie zu Zombies mutieren, die von Handys und anderen Geräten mit Bildschirmen magisch angezogen werden. Auch darüber hinaus schwingt ein gerüttelt Maß an Gesellschaftskritik mit, allerdings durchaus mit Zwischentönen, wenn sich nach und nach in den Erinnerungen des Ich-Erzählers an den zunächst als tumber Macho und Waffennarr eingeführten Big Jim enthüllt, dass dieser in gewisser Weise auch ein Opfer der Verhältnisse ist.
Eingeflochten in das, was S. T. erzählt (wem genau, zeigt sich übrigens erst ganz am Schluss), sind die Erfahrungen aller möglichen Haus- und Wildtiere nach dem Absturz der Menschen ins Zombiedasein. Teils geht es auch hier drastisch zu, doch daneben finden sich unerwartet poetische Momente, in denen die Naturbegeisterung der Autorin deutlich durchklingt und sich erweist, dass sprachliche Schönheit ihr doch nicht völlig fremd ist.
Das Romanende bietet dann eine vielleicht nicht ganz unerwartete versöhnliche Wendung (zumindest allen, die Simone Hellers How Bees Fly gelesen haben, dürfte hier etwas bekannt vorkommen). Insgesamt hat man aber doch den Eindruck, dass Hollow Kingdom davon hätte profitieren können, wenn die Autorin die ihr am Herzen liegenden Botschaften – auch die, dass man sich auf Veränderungen einlassen muss und nur gemeinsam etwas erreichen kann – etwas subtiler vermittelt hätte und nicht mit dem Holzhammer.
Kira Jane Buxton: Hollow Kingdom. Das Jahr der Krähe. Frankfurt am Main, Fischer Tor, 2020, 362 Seiten.
ISBN: 978-3-596-70527-6