Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand trifft Fool on the Hill in der schwedischen Wildnis – so könnte man vielleicht augenzwinkernd umreißen, wie Lars Vasa Johanssons vergnüglicher Roman Anton hat kein Glück sich liest.
Der Ich-Erzähler Anton tingelt als erfolgloser Bühnenzauberer missgelaunt von Altersheim zu Altersheim, bis es ihn durch einen bizarren Autounfall ins Waldgebiet von Tiveden verschlägt. Dort verärgert der Unsympath, der als aufgeklärter Mensch natürlich nicht an echte Magie glaubt, prompt die erste Fee, die ihm begegnet, und wird von ihr mit einem Todesfluch belegt. Ein böses Ende lässt sich nur noch abwenden, wenn Anton drei Aufträge erfüllt, um die Königin des Waldes gnädig zu stimmen. Widerwillig macht er sich an die Arbeit und kommt bald besser voran, als er es sich je hätte träumen lassen – doch dass man ihm nicht die ganze Wahrheit über seine Aufgaben gesagt hat, wird ihm erst klar, als es schon fast zu spät ist …
Es ist eine herrlich bunte Märchenwelt, in die Lars Vasa Johansson seinen Antihelden geraten lässt: Unbemerkt von den im nahen Nationalpark wandernden Touristen hausen nicht nur Menschen, die archaische Rituale pflegen, sondern auch originelle Fabelwesen im Wald, von Garnschweinen über Nachtklopfer und den fürchterlichen Tränentriefer bis hin zur rätselhaften Königin des Waldes, die allgemein nur als „das Miststück“ bekannt ist und sich dann doch als ganz anders erweist, als man vermuten könnte.
Aber ein klassischer Fantasyroman ist Anton hat kein Glück dennoch nicht. Mit dem Handlungsstrang um Antons Versuche, dem Fluch zu entgehen und letzten Endes die Welt – pardon, den Wald! – zu retten, ist ein gänzlich unphantastischer zweiter verwoben, der im Rückblick auf die Jugend des Protagonisten schildert, wie aus ihm der zunächst wenig liebenswerte Geselle geworden ist, als der er einem in der Jetztzeit der Handlung entgegentritt. Anton gibt daran neben den angeblich allgemein widrigen Umständen vor allem seinen Jugendfreunden Sebastian und Charlotta die Schuld, die nicht nur ein Liebespaar geworden sind, sondern es, anders als er, auch zum höchst gefragten Bühnenmagierduo gebracht haben.
Dass aber in Wirklichkeit weniger ein böses Schicksal Anton ins Abseits gedrängt hat als seine Mischung aus Selbstmitleid, Anspruchsdenken und Egoismus, kristallisiert sich im Laufe der ineinander verflochtenen Geschichten immer stärker heraus.
Vielleicht wird diese Botschaft gerade gegen Ende des Buchs etwas zu plakativ präsentiert, doch trotz der unübersehbaren Moral des Romans bleibt es recht amüsant, zu verfolgen, wie Anton durch eine unwahrscheinliche Freundschaft doch noch zur rechten Zeit seine besseren Seiten wiederentdeckt und schließlich im Rahmen seiner Möglichkeiten geläutert in ein neues Leben aufbricht.
Auf dem Weg dorthin werden zahlreiche Märchen- und Fantasymotive genüsslich ironisiert (darunter auch das einer ganz besonderen Magie des Auserwählten, die zur Besiegung des Schurken notwendig ist). Computerspielkenntnisse erweisen sich für eine Nebenfigur als ungeahnt nützlich (eine lohnende Sidequest sollte man schließlich nie ausschlagen), und auch das ein oder andere Handlungselement aus den von Anton in seiner Jugend so geliebten Horrorfilmen zieht Vasa Johansson kräftig durch den Kakao, allerdings eher in Form sehr milden Grusels als mit ernsthaften Schockeffekten. Selbst der auch abseits der Phantastik allzu gern überstrapazierte, gänzlich unmagische Zufall bleibt nicht verschont, denn als man schon gar nicht mehr damit rechnet, wird noch eine Erklärung für Antons absurden Autounfall nachgeschoben, die auch dieses beliebte Geschichtenelement lustvoll auf die Schippe nimmt.
Spaß an schrägem Humor, der gerade auch vor liebgewonnenen Genrekonventionen nicht Halt macht, und an ebenso schrägen Gestalten ist also eine Grundvoraussetzung, um Anton hat kein Glück zu genießen. Wer sich darauf einlassen mag, wird mit einer vielleicht bisweilen etwas exzentrischen, dafür aber umso unterhaltsameren Lektüre belohnt.
Lars Vasa Johansson: Anton hat kein Glück. Reinbek bei Hamburg, Wunderlich (Rowohlt), 2016, 415 Seiten.
ISBN: 9783805203876