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Triumvirat

Im Jahr 60 v. Chr. zählten Caesar, Pompeius und Crassus zu den ehrgeizigsten römischen Politikern, doch allein oder gar gegeneinander konnten sie ihre jeweiligen Ziele nicht erreichen. Unter Federführung Caesars schlossen sie sich daher zu einem Zweckbündnis zusammen, das als erstes Triumvirat in die Geschichte eingehen sollte. Der Altphilologe Markus Schauer zeichnet in seinem lesenswerten Buch Triumvirat nach, wie es zu dieser bemerkenswerten Konstellation kommen konnte und wie letztlich dennoch jeder Einzelne der drei mit seinen Ambitionen scheiterte (wenn auch Caesar immerhin der postumen Triumph vergönnt war, sich mit Augustus einen Erben ausgesucht zu haben, der auf lange Sicht erfolgreicher agierte).

Eingebettet sind die drei ineinander verflochtenen Biographien in eine Geschichte der späten römischen Republik, die der Bezugsrahmen war, in dem Karrieren wie die der Triumvirn sich abspielen konnten, obwohl sie letztlich dazu beitrugen, das bestehende System in den Untergang zu treiben und den Boden für die Kaiserzeit zu bereiten. Schauer sieht als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung neben dem individuellen Machtstreben, das sich nicht nur aus einem aristokratischen Selbstverständnis, sondern durchaus auch aus der Orientierung an literarischen und historischen Vorbildern wie den homerischen Helden und Alexander dem Großen speiste, nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der ohnehin nicht im modernen Sinne demokratischen Gesellschaft Roms spätestens seit den Gracchen der Konsens darüber verloren gegangen war, wie politische Entscheidungen gefällt werden sollten. Diese Unsicherheit nur auf den bekannten Gegensatz zwischen Popularen und Optimaten zu reduzieren, würde zu kurz greifen, da neben die althergebrachte Legitimation durch Volksversammlung und Senat auch immer stärker die durch militärische Macht drängte, erfolgreiche Feldherren mithin auch abseits der oder zusätzlich zur gängigen Ämterlaufbahn Einfluss anhäufen konnten.

Könnte man diese Informationen noch so oder so ähnlich auch in anderen Darstellungen finden, ist die Art, wie hier die Geschichte des Triumvirats und seiner drei Mitglieder erzählt wird, bemerkenswert und vielleicht nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der Autor eben kein typischer Historiker ist, sondern von Haus aus Literaturwissenschaftler, der als Deutender wie als Verfasser sehr bewusst mit Texten und ihren Feinheiten umgeht. Denn Schauer nimmt nicht nur die antiken Historiker und ihre Einschätzungen des Geschehens ernst, sondern bedient sich auch selbst eines in gewisser Weise bei ihnen entlehnten Kunstgriffs: Legten sie ihren Protagonisten oft fiktive Reden in den Mund, die so nie gehalten wurden, aber doch treffend Persönlichkeiten zu charakterisieren und Situationen zu verlebendigen vermochten, ist es bei Schauer an exponierter Stelle fiktive erlebte Rede, die einen Blick in die Gedankenwelt von Pompeius, Crassus und vor allem Caesar – nicht wie sie war, aber wie sie sehr wohl hätte sein können – gestattet. Ist man eher trockene historische Darstellungen gewohnt, mag das Stilmittel zunächst irritieren, aber gerade dadurch kann es als interessanter Denkanstoß dienen, der einem zudem bewusst macht, dass alle historische Forschung, auch wenn sie es nicht notwendigerweise so offen deutlich macht wie Schauer hier, immer auch Interpretation beinhaltet.

Es lohnt sich also, sich auf diese auf den ersten Blick ungewohnte, aber zugleich auch packende Art des Erzählens vom Ende der römischen Republik einzulassen. Die Lektüre ist auf jeden Fall ein Gewinn.

Markus Schauer: Triumvirat. Der Kampf um das Imperium Romanum. München. C.H. Beck, 2023, 432 Seiten.
ISBN: 978-3-406-80645-2

 


Genre: Biographie, Geschichte

Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk

Gallia est omnis divisa in partes tres … Einen bekannteren Buchanfang als den Eingangssatz von Caesars Commentarii de Bello Gallico gibt es in der antiken Literatur wohl kaum, und auch das Werk selbst ist bis heute erstaunlich präsent. Ob Lateinschüler, Historiker oder Asterix-Fan, fast jeder hatte vermutlich schon einmal in irgendeiner Form mit dem Gallischen Krieg zu tun. Über die vielfältigen Rollen des Texts als Übersetzungsübung, Geschichtsquelle und Inspiration der Populärkultur vergisst man jedoch schnell, dass man es auch und vor allem mit Literatur zu tun hat. Diese Perspektive wiederzueröffnen und Caesar als Schriftsteller in den Mittelpunkt zu rücken, ist das Anliegen von Markus Schauers spannender Untersuchung Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk.
Gewiss – auch der Blick auf den Literaten Caesar kommt ohne eine Einordnung in den geschichtlichen Kontext nicht aus, und so stellt Schauer der literaturwissenschaftlichen Studie einen Überblick über die politischen Verhältnisse der späten römischen Republik und über Caesars Herkunft und sein Leben bis zum Konsulat voran. Literarisch durchaus ansprechend gestaltet (so beginnen etwa alle Kapitelüberschriften in diesem Buchteil mit „Aus-“ bzw. „Außer-“ ) lehnt sich die historische Skizze inhaltlich streckenweise sehr eng an Martin Jehnes Caesar-Biographie an, gelangt jedoch dabei zu einer eigenständigen Bewertung der Akteure (so ist z.B. Schauers Einschätzung von Cicero nicht unkritisch, aber bei weitem nicht so spöttisch-vernichtend wie die in Jehnes Caesar). Caesar erscheint als machtbewusster, aber im Rahmen seiner für heutige Begriffe fragwürdigen Ehrvorstellungen konsequenter Angehöriger der römischen Nobilität, der den Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen ebenso für sich zu nutzen wusste wie die Spielräume, die sich erfolgreichen Feldherren boten.
Dass ein zeitgeschichtlich-autobiographisches Werk eines solchen Menschen nicht unpolitisch sein kann, versteht sich, und so ist Caesar als Erzähler ein genialer Selbstdarsteller, der sich vor allem durch indirekte Mittel als fähiger Stratege und zuverlässiger Staatsmann in Szene setzt – und das einschließlich nicht gerade rühmlicher Taten, die aus moderner Sicht Kriegsverbrechen sind und schon zu Caesars Lebzeiten nicht unumstritten waren.
Wie Caesar diese subtile Lesermanipulation bewerkstelligt, analysiert Schauer ebenso spanend wie schlüssig. So liegt die erste Täuschung etwa schon in der Tatsache, dass Caesar sein Werk in die Gattung der commentarii einordnet, also der eher schlicht gehaltenen Aufzeichnungen zur Vorbereitung einer literarisch ambitionierten historischen Darstellung. Die dadurch suggerierte Sachlichkeit und Kunstlosigkeit ist so nicht gegeben. Selbst der berühmte nüchterne Sprachstil hat es in sich und offenbart in pointierter Wortwahl und rhetorischen Mitteln einige Überraschungen. Noch packender aber sind die Beobachtungen zur inhaltlichen Komposition.
Schon im Kleinen lenkt Caesar seine Leserschaft äußerst geschickt (wenn etwa ein landeskundlicher Exkurs eingeschoben wird, um einen eigentlich kurzen Zeitraum in der Erzählung unmerklich in die Länge zu ziehen). Doch vor allem der Gesamtaufbau, der auf die Konfrontation mit Vercingetorix als würdigem Gegenspieler zusteuert und die Belagerung von Alesia zum Finale der Eroberung Galliens stilisiert, offenbart viel darüber, wie eine einzige Schilderung die Geschichtswahrnehmung über Jahrhunderte hinweg prägen kann. Denn dass der Gallische Krieg als historisches Ereignis keineswegs zu dem Zeitpunkt abgeschlossen war, zeigt schon die Fortsetzung der commentarii durch Aulus Hirtius, in der Caesar keineswegs ein befriedetes Gallien zurücklässt.
Eine nützliche Übersicht des Inhalts der einzelnen Bücher des Gallischen Kriegs ist im Anhang enthalten und erleichtert es, den Überblick über relevante Ereignisse und Personen zu bewahren und Schauers Argumente nachzuvollziehen. Einziger Schwachpunkt des ansonsten überzeugenden Buchs ist die Gestaltung der Anmerkungen. Da auf klassische Fuß- bzw. Endnoten verzichtet wurde, finden sich im Anhang nur Sammelanmerkungen zu den einzelnen Kapiteln. Wer gezielt nach weiterführenden Informationen zu einem speziellen Thema sucht, entdeckt die nötigen Verweise zwar früher oder später, muss aber sehr genau hinschauen. Abgesehen davon ist Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk jedoch rundum empfehlenswert.

Markus Schauer: Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk. München, C. H. Beck, 2016, 271 Seiten.
ISBN: 9783406687433


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur