Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk

Gallia est omnis divisa in partes tres … Einen bekannteren Buchanfang als den Eingangssatz von Caesars Commentarii de Bello Gallico gibt es in der antiken Literatur wohl kaum, und auch das Werk selbst ist bis heute erstaunlich präsent. Ob Lateinschüler, Historiker oder Asterix-Fan, fast jeder hatte vermutlich schon einmal in irgendeiner Form mit dem Gallischen Krieg zu tun. Über die vielfältigen Rollen des Texts als Übersetzungsübung, Geschichtsquelle und Inspiration der Populärkultur vergisst man jedoch schnell, dass man es auch und vor allem mit Literatur zu tun hat. Diese Perspektive wiederzueröffnen und Caesar als Schriftsteller in den Mittelpunkt zu rücken, ist das Anliegen von Markus Schauers spannender Untersuchung Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk.
Gewiss – auch der Blick auf den Literaten Caesar kommt ohne eine Einordnung in den geschichtlichen Kontext nicht aus, und so stellt Schauer der literaturwissenschaftlichen Studie einen Überblick über die politischen Verhältnisse der späten römischen Republik und über Caesars Herkunft und sein Leben bis zum Konsulat voran. Literarisch durchaus ansprechend gestaltet (so beginnen etwa alle Kapitelüberschriften in diesem Buchteil mit „Aus-“ bzw. „Außer-“ ) lehnt sich die historische Skizze inhaltlich streckenweise sehr eng an Martin Jehnes Caesar-Biographie an, gelangt jedoch dabei zu einer eigenständigen Bewertung der Akteure (so ist z.B. Schauers Einschätzung von Cicero nicht unkritisch, aber bei weitem nicht so spöttisch-vernichtend wie die in Jehnes Caesar). Caesar erscheint als machtbewusster, aber im Rahmen seiner für heutige Begriffe fragwürdigen Ehrvorstellungen konsequenter Angehöriger der römischen Nobilität, der den Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen ebenso für sich zu nutzen wusste wie die Spielräume, die sich erfolgreichen Feldherren boten.
Dass ein zeitgeschichtlich-autobiographisches Werk eines solchen Menschen nicht unpolitisch sein kann, versteht sich, und so ist Caesar als Erzähler ein genialer Selbstdarsteller, der sich vor allem durch indirekte Mittel als fähiger Stratege und zuverlässiger Staatsmann in Szene setzt – und das einschließlich nicht gerade rühmlicher Taten, die aus moderner Sicht Kriegsverbrechen sind und schon zu Caesars Lebzeiten nicht unumstritten waren.
Wie Caesar diese subtile Lesermanipulation bewerkstelligt, analysiert Schauer ebenso spanend wie schlüssig. So liegt die erste Täuschung etwa schon in der Tatsache, dass Caesar sein Werk in die Gattung der commentarii einordnet, also der eher schlicht gehaltenen Aufzeichnungen zur Vorbereitung einer literarisch ambitionierten historischen Darstellung. Die dadurch suggerierte Sachlichkeit und Kunstlosigkeit ist so nicht gegeben. Selbst der berühmte nüchterne Sprachstil hat es in sich und offenbart in pointierter Wortwahl und rhetorischen Mitteln einige Überraschungen. Noch packender aber sind die Beobachtungen zur inhaltlichen Komposition.
Schon im Kleinen lenkt Caesar seine Leserschaft äußerst geschickt (wenn etwa ein landeskundlicher Exkurs eingeschoben wird, um einen eigentlich kurzen Zeitraum in der Erzählung unmerklich in die Länge zu ziehen). Doch vor allem der Gesamtaufbau, der auf die Konfrontation mit Vercingetorix als würdigem Gegenspieler zusteuert und die Belagerung von Alesia zum Finale der Eroberung Galliens stilisiert, offenbart viel darüber, wie eine einzige Schilderung die Geschichtswahrnehmung über Jahrhunderte hinweg prägen kann. Denn dass der Gallische Krieg als historisches Ereignis keineswegs zu dem Zeitpunkt abgeschlossen war, zeigt schon die Fortsetzung der commentarii durch Aulus Hirtius, in der Caesar keineswegs ein befriedetes Gallien zurücklässt.
Eine nützliche Übersicht des Inhalts der einzelnen Bücher des Gallischen Kriegs ist im Anhang enthalten und erleichtert es, den Überblick über relevante Ereignisse und Personen zu bewahren und Schauers Argumente nachzuvollziehen. Einziger Schwachpunkt des ansonsten überzeugenden Buchs ist die Gestaltung der Anmerkungen. Da auf klassische Fuß- bzw. Endnoten verzichtet wurde, finden sich im Anhang nur Sammelanmerkungen zu den einzelnen Kapiteln. Wer gezielt nach weiterführenden Informationen zu einem speziellen Thema sucht, entdeckt die nötigen Verweise zwar früher oder später, muss aber sehr genau hinschauen. Abgesehen davon ist Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk jedoch rundum empfehlenswert.

Markus Schauer: Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk. München, C. H. Beck, 2016, 271 Seiten.
ISBN: 9783406687433


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur