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Ihr Los ist Finsternis

Die irische Rechtsgelehrte Fidelma langweilt sich. Mit der Aufklärung einer Serie spektakulärer Silberdiebstähle ist, sehr zu ihrem Unmut, ein anderer Jurist betraut worden, und auch sonst gibt es für sie gerade wenig Aufregendes zu tun. Da ist es schon fast hochwillkommen, dass ihr Mann Eadulf eine Leiche entdeckt, die so übel zugerichtet ist, dass alles auf einen heidnischen Ritualmord hindeutet. Da auch noch das mit allerlei abergläubischen Vorstellungen befrachtete Samhain-Fest vor der Tür steht, geht in Cashel bald die Angst um. Doch stecken wirklich Anhänger des alten Glaubens hinter der brutalen Tat, und besteht vielleicht sogar ein Zusammenhang mit einem brisanten Buch, das aus dem päpstlichen Archiv in Rom entwendet worden sein soll?
Eingängig gezeichnete Figuren, Theologie und Geschichte des Frühmittelalters, ein etwas idealisiertes Bild des alten Irland und gleich mehrere Morde: Peter Tremayne bietet mit Ihr Los ist Finsternis genau das, was man von seiner inzwischen seit Jahrzehnten erfolgreichen Krimireihe gewohnt ist. Von den eigentlichen Ermittlungen her ist dieser Band auch eine durchaus solide Episode: Mehrere unterschiedliche Verbrechen erweisen sich als enger miteinander verflochten, als man zunächst annehmen könnte, und ein sektiererisches Kloster kristallisiert sich schon bald als der Ort heraus, an dem alle Fäden zusammenlaufen.
Während dieser Schauplatz eigentlich durchaus spannend gewählt ist, zeigt er aber zugleich, woran die Romanserie mittlerweile krankt: Der Wunsch, immer wieder Neues und Spektakuläres im Umfeld von Fidelmas Wohnort Cashel einzuführen, geht teilweise auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Dass so gut wie niemand am dortigen Königshof überhaupt weiß, dass es in weniger als einer Tagesreise Entfernung ein aus einem Fürstensitz hervorgegangenes Kloster überhaupt gibt (ganz zu schweigen davon, dass dort teilweise Merkwürdiges vorgeht), wirkt nicht unbedingt überzeugend. Ähnlich ist es mit manchem running gag, der stur durchgehalten wird, obwohl man ihm seine handlungsinterne Berechtigung kaum noch abnimmt (z.B. fragt man sich, wie es sein kann, dass es um Eadulfs Reitkünste immer noch erbärmlich bestellt ist – so oft, wie der gute Mann in fast jedem Band der Reihe im Sattel sitzt, ist es wirklich eine stramme Leistung, dass er immer noch kein bisschen dazuzulernen scheint).
Die Übersetzung von Bela Wohl ist im Großen und Ganzen gelungen, hätte aber stellenweise ein gründlicheres Lektorat verdient gehabt (so ist übersehen worden, dass schwankt, ob die Länderbezeichnung „Gaul“ korrekt als „Gallien“ übertragen oder unübersetzt gelassen wird).
Trotz dieser kleinen Schwächen liest sich Ihr Los ist Finsternis insgesamt recht unterhaltsam und hat auch einige wirklich witzige Szenen zu bieten (ewa die, in der eine theologische Debatte unter Mönchen bis hin zu Handgreiflichkeiten eskaliert). Für Fans der Reihe ist der Roman also ein nettes Wiedersehen mit alten Bekannten und sicher trotz allem keine Enttäuschung. Wer Fidelma und ihre Mitstreiter noch nicht kennt, hat aber vermutlich mehr davon, mit einem der zahlreichen älteren Bände in ihre Abenteuer einzusteigen.

Peter Tremayne: Ihr Los ist Finsternis. Historischer Kriminalroman. Berlin, Aufbau, 2018, 430 Seiten.
ISBN: 9783746634579


Genre: Roman

Der Tod wird euch verschlingen

Der Stamm der Uí Fidgente hat die Oberhoheit König Colgús noch nie bereitwillig anerkannt. Ausgerechnet Colgús Leibwächter Gormán soll nun auf der Burg des Stammesfürsten heimtückisch einen bedeutenden Kirchenmann ermordet haben. Religiöse Fanatiker fordern die Hinrichtung des vermeintlich Schuldigen, die zum endgültigen Bruch zwischen dem König und den Uí Fidgente führen würde. Bevor die heikle Situation in einen Bürgerkrieg münden kann, sollen Colgús Schwester Fidelma und ihr Mann Eadulf herausfinden, was sich wirklich abgespielt hat. Doch das erweist sich als ungeahnt kompliziert, da mehr als eine einflussreiche Person Interesse daran hat, die Wahrheit nie ans Tageslicht kommen zu lassen …
Nachdem Peter Tremaynes im Irland des 7. Jahrhunderts angesiedelte Krimireihe um die juristisch gebildete Adlige Fidelma in den letzten Bänden eher etwas geschwächelt hat, meldet er sich mit Der Tod wird euch verschlingen in alter Frische zurück und präsentiert ein komplexes, aber in sich stimmiges Szenario, in dem Politik und persönliche Motive eng ineinandergreifen. Allerdings hat man wahrscheinlich mehr von der Lektüre, wenn man die letzten zwei oder drei Episoden der Serie gelesen hat, da einige dort geschilderte Vorgänge für das hier im Zentrum stehende Verbrechen entscheidend sind. Zwar werden die Hintergründe noch einmal gerafft erläutert, doch aufgrund der recht verästelten Zusammenhänge hat man mit ein bisschen Vorwissen einfach mehr Spaß daran, wie hier Ereignisse und Figuren aus unterschiedlichen Geschichten zusammengeführt werden. Neben den Helden und ihrer Entourage kehren diesmal auch Verdächtige aus früheren Fällen auf die Bühne zurück. So hat etwa der undurchsichtige Abt Nannid inzwischen beste Aussichten, sich zum Dauerantagonisten des Ermittlerduos zu entwickeln, und der hellseherisch begabte Druide Deogaire darf einen starken Auftritt in ganz unerwarteter Rolle hinlegen.
Gewohnt breiten Raum nehmen Gespräche über Rechtssystem und unterschiedliche religiöse Richtungen im alten Irland ein. Tremayne spielt seine historischen und sprachlichen Kenntnisse aber nicht nur bei diesen ernsten Themen aus, sondern nutzt sie auch humorvoll, wenn z.B. eine Botschaft in so schwer verständlichem Latein übermittelt wird, dass der Empfänger noch rätselt, was ihm eigentlich mitgeteilt werden soll, als das ihm angekündigte Ereignis schon in vollem Gange ist. Auch die Action kommt nicht zu kurz, und es bleibt bei weitem nicht bei einer einzigen Leiche, treibt doch außer den am ersten Mord Schuldigen auch noch eine Bande von Räubern und Aufständischen ihr blutiges Unwesen.
Die wie immer von Irmhild und Otto Brandstätter erstellte Übersetzung liest sich im Großen und Ganzen flüssig, wirkt aber an einigen Stellen etwas lieblos, da unmotiviert englische Begriffe im deutschen Text stehen bleiben (z.B. „Macha von den Red Tresses“ als Name einer legendären Königin).
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte ist Der Tod wird euch verschlingen alles in allem ein unterhaltsamer und streckenweise packender Roman, der Lust auf weitere Abenteuer mit Fidelma und Eadulf macht.

Peter Tremayne: Der Tod wird euch verschlingen. Berlin, Aufbau, 2016, 429 Seiten.
ISBN: 9783746632551


Genre: Roman

Sendboten des Teufels

Peter Tremayne (so das Pseudonym des Historikers Peter Berresford Ellis) genießt mit seiner Reihe um die Irin Fidelma von Cashel und ihren angelsächsischen Mann Eadulf, die im 7. Jahrhundert Morde aufklären, mittlerweile fast so etwas wie Kultstatus. Der neueste Band, Sendboten des Teufels, ist allerdings einer der schwächeren der Serie, zumindest, was den Kriminalfall an sich betrifft.
Dabei lässt sich die Handlung zunächst recht packend an: Unweit der Königsburg Cashel fällt ein Grüppchen Reisender Raubmördern zum Opfer. Der einzige Überlebende ist ausgerechnet Eadulfs langverlorener Bruder Egric, der erkennbar etwas zu verbergen hat. Als kurz darauf auch noch ein Mitglied einer angelsächsischen Gesandtschaft getötet wird, die ebenfalls verdächtig wenig über ihre Ziele preisgibt, und ein Wahrsager sich in düsteren Prophezeiungen ergeht, die weiteres Unheil verheißen, ist das erfahrene Ermittlerduo gefordert …
Wie so oft bei Tremayne ist das Motiv wieder einmal in der Gier nach Macht und Ansehen zu suchen, die den Mörder über Leichen gehen lässt – und das sind in diesem Fall selbst für die Verhältnisse der Fidelma-Reihe, in der es selten bei nur einem Toten bleibt, wirklich viele, so dass der Täter samt Komplizen gegen Ende der Geschichte freundlicherweise schon einen Gutteil aller Mitverdächtigen eliminiert hat. Insofern geht der Versuch, die Spannung durch immer weitere Morde und kompliziertere Zusammenhänge künstlich hochzuhalten, nach hinten los, und man ertappt sich bei dem Wunsch, Tremayne würde sich endlich einmal einen wirklich neuen Fall mit unvorhersehbarem Motiv einfallen lassen, statt immer wieder Variationen derselben Geschichte zu erzählen. Auch das Bemühen, die persönliche Betroffenheit der beiden Detektive durch die Einführung des bisher unbekannten Egric zu erhöhen, ist ein zweischneidiges Schwert, und man verzeiht es dem Autor eigentlich nur, weil er immerhin selbstironisch genug ist, Fidelma verblüfft bemerken zu lassen, dass auch sie von ihrem Schwager bisher noch nichts gewusst hätte.
So muss der Roman auf anderen Ebenen punkten, was er auch durchaus kann: Wie immer machen die eingestreuten historischen Informationen Spaß, seien es nun Einzelheiten über Gesellschaft, Festkultur und Alltagsleben im alten Irland oder theologische Debatten über alles von der Erbsündenlehre des Augustinus bis hin zum Zölibat. Eadulf darf hier sogar einmal seine medizinischen Kenntnisse ganz handfest bei einer Amputation unter Beweis stellen, die sich weit spannender liest als die eigentlichen Mordermittlungen. Auch wenn man vor allem deshalb zu den Sendboten des Teufels gegriffen hat, weil man herausfinden will, wie es um wiederkehrende Gestalten wie den Krieger Gormán oder die aus der Sklaverei geflohene Aibell inzwischen steht, wird man nicht enttäuscht, denn die fortlaufende Hintergrundhandlung der Serie ist interessant und wartet in diesem Band mit der ein oder anderen Überraschung auf. Da auch die Helden einem weiterhin sympathisch bleiben, freut man sich trotz aller Kritik auch auf das nächste Buch ihrer Endlosgeschichte.
Die Übersetzung von Irmhild und Otto Brandstädter liest sich insgesamt angenehm und flüssig (wenn sich auch vielleicht über einzelne Ausdrücke streiten lässt – ist es z.B. wirklich eine gute Idee, jemanden lange vor der Entdeckung Amerikas durch die Europäer ausgerechnet „puterrot“ anlaufen zu lassen?). Allerdings wäre ihr ein besseres Lektorat zu wünschen gewesen: In mindestens einem Dialog (S. 72) ist durcheinandergeraten, welcher Gesprächspartner was sagt, Lateinfehler sind übersehen worden (mehrfach „custodes“ statt „custos“ als Singular), und bei bestimmten Begriffen wechselt munter die Namensform: So erscheint das angelsächsische Königreich Northumbria abwechselnd als „Nordhumbria“, „Nordhumbrien“ und „Northumbrian“, und die Fomorier (irische Sagengestalten) tauchen als „Fomorii“, „Formorii“ und „Fomoirii“ auf. Eine solche Uneinheitlichkeit produziert Verwirrung, zumal bei Themen wie angelsächsischer Geschichte und irischer Mythologie, mit denen sich nicht zwingend jeder Leser auskennt.
So bleibt man am Ende mit einem gemischten Leseeindruck zurück und kann nur unter Vorbehalt eine Empfehlung aussprechen: Wer vor allem auf den Ausflug in ein etwas idealisiert geschildertes frühmittelalterliches Irland Wert legt und den Aufhänger dafür nicht allzu wichtig nimmt, kann hier nicht viel falsch machen, aber vom eigentlichen Krimiplot sollte man diesmal nicht zu viel erwarten.

Peter Tremayne: Sendboten des Teufels. Historischer Kriminalroman. Aufbau Taschenbuch, 2014, 446 Seiten.
ISBN: 978-3746630472


Genre: Roman