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Lebendige Nacht

Ungeachtet aller Nachtschwärmer und Schlaflosen ist der Mensch im Großen und Ganzen ein tagaktives Wesen. Viele Tiere dagegen sind hervorragend an die Nacht angepasst. Eine Auswahl dieser speziellen Fauna stellt die für ihre Forschungen über Füchse bekannte Sophia Kimmig locker und unterhaltsam in ihrem neuen Buch Lebendige Nacht vor.

Bilchen, Eulen, Fledermäusen, Waschbären und Nachtfaltern ist dabei jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet, während alternierend damit allgemeine Aspekte der Nacht (wie z. B. die Evolution nachtaktiver Tiere, aber auch die heute für viele Arten problematische Lichtverschmutzung durch die immer stärkere Beleuchtung menschlicher Siedlungen) abgehandelt werden. Den Abschluss jedes Kapitels bietet ein mit einer oft etwas augenzwinkernden Zeichnung der Autorin illustrierter „Fun Fact“, also eine kleine, interessante Information, die anderswo im Text keinen Platz mehr gefunden hat (etwa zu den besonderen Eigenschaften der Milche, die Kühe nachts geben).

Die abgehandelte Themenfülle ist dabei beachtlich, bringt es aber auch mit sich, dass nirgendwo allzu tief ins Detail gegangen wird, sondern am Ende eher ein buntes Potpourri biologischer Fakten und persönlicher Erlebnisse Sophia Kimmigs (ob nun im Zuge ihrer Forschungsarbeit oder privat) entsteht. So liest man von Nachtfaltern, die Fledermausrufe nachahmen können, unter der Erde hausenden Eulen und den Tücken des Fledermausfangs für wissenschaftliche Zwecke, aber auch vom Umgang der Autorin mit ihren Depressionen.

Wie schon in Sophia Kimmigs Fuchsbuch muss man sich an die streckenweise für Sachbuchverhältnisse doch recht umgangssprachliche Ausdrucksweise gewöhnen, und mit Popkulturanspielungen auf so manches zwischen Star Wars und Game of Thrones wird nicht gespart. Leicht „weglesen“ lässt sich die Lebendige Nacht daher ohne Probleme, aber man hat doch das Gefühl, aufgrund des weiter gefassten Themenspektrums und der loseren Gliederung nicht so tief in den Gegenstand einzusteigen wie in Von Füchsen und Menschen, sondern sich eher hier und da kleine Wissenshäppchen einprägen zu können. Eine vergnügliche Lektüre für Naturinteressierte bildet das Buch aber dennoch.

Sophia Kimmig: Lebendige Nacht. Vom verborgenen Leben der Tiere. München, Hanser, 2023, 272 Seiten.
ISBN: 978-3-446-27611-6


Genre: Sachbuch allgemein

Von Füchsen und Menschen

Als anpassungsfähige Tiere, die sich in alle möglichen Lebensräume einfügen können, sind Füchse längst nicht mehr nur im Wald zu finden, sondern auch in Großstädten. Die Füchse von Berlin hat die Biologin Sophia Kimmig im Rahmen ihrer Dissertation erforscht. Was sie dabei herausgefunden, aber auch und vor allem selbst erlebt hat, schildert sie locker und amüsant in ihrem an ein allgemeines Publikum gerichteten Buch Von Füchsen und Menschen. Neben dem Text und einem Fototeil sind auch zahlreiche hübsche Zeichnungen enthalten, die von der Autorin stammen.

Zugegeben: An den teilweise etwas flapsigen Sprachstil muss man sich bei einem Sachbuch erst einmal gewöhnen, aber es lohnt sich, denn informativ, bisweilen ergreifend und oft auch urkomisch ist das, was Sophia Kimmig über Füchse zu erzählen weiß, allemal. Neben Allgemeinem zu Lebensweise und Verhalten von Füchsen erfährt man auch viel über die Geschichte ihrer Erforschung (bis hin zu seltsamen Zuchtexperimenten, die zahme Füchse, vergleichbar mit Haushunden, erzeugen sollten).

Das Hauptaugenmerk des Buchs liegt aber auf Berlin und seinen wilden Bewohnern, von denen auch noch einige weitere vorgestellt werden, sind doch in der Hauptstadt außer Füchsen auch Wildschweine, Kormorane, Kaninchen und Nebelkrähen, aber auch eingeschleppte Arten wie der Amerikanische Sumpfkrebs unterwegs. Einige Stadttiere wie Waschbären, Eichhörnchen, Igel oder Hauskatzen erleichtern Sophia Kimmigs Forschungsprojekt nicht unbedingt, denn bei dem Versuch, Füchse einzufangen und mit Halsbandsendern zu versehen, muss sie oft feststellen, dass ihre Köder eben gerade keine Füchse, sondern andere Neugierige in die Falle gelockt haben.

Von den dann doch noch besenderten Füchsen werden drei Fähen näher vorgestellt. Lebendig und unterhaltsam imaginiert Sophia Kimmig, welche Verhaltensweisen und Erlebnisse wohl zu den Bewegungsmustern geführt haben könnten, die sich dank der Sender nachvollziehen lassen, und die vierbeinigen Protagonistinnen wachsen einem rasch als Herz. Umso ernüchternder ist es, zu erfahren, dass zwei von ihnen mittlerweile durch menschliche Einwirkung ums Leben gekommen sind, denn obwohl Füchse in der Stadt in der Regel nicht bejagt werden, sind sie vor Giftködern und vor den Risiken des Straßen- und Schienenverkehrs natürlich nicht gefeit.

Diese bitteren Aspekte des Buchs werden aber durch humorvolle Schilderungen, die oft auch von Selbstironie geprägt sind, wieder ausgeglichen. Denn eine forschende Biologin, die in Berlin Füchsen auf der Spur ist, hat es offensichtlich nicht leicht, ganz gleich, ob sie nun von der Polizei als Gefahr für den Straßenverkehr betrachtet wird, es mit den Tücken eines Fernsehdrehs zu tun bekommt oder am Schloss Bellevue nur knapp einer Kollision mit dem Wachbataillon entgeht. Doch es gibt auch freundlichere Begegnungen mit den Menschen, die der Titel neben den Füchsen verspricht, so zum Beispiel mit einer Restauratorin auf einem Friedhof, der Belegschaft verschiedener Betriebe, auf deren Gelände Füchse hausen, oder Fuchsbegeisterten aller Art. Was das nun beendete Fuchsprojekt für Sophia Kimmig selbst bedeutet hat, wird erst ganz gegen Ende des Buchs deutlich, denn aufgrund ihrer damaligen Situation war ihre Doktorarbeit keine wie alle anderen.

So ergibt sich eine lesenswerte Mischung aus Fuchsbuch und persönlichem Erlebnisbericht, die einem nicht nur einiges über Füchse beibringt, sondern einen auch oft tief berührt und außerdem gut unterhält. Wer Füchse mag, kommt an diesem Buch nicht vorbei!

Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen. Auf den Spuren unserer schlauen Nachbarn – als Wildbiologin unterwegs in der Großstadt. München, Malik (Piper), 2021, 255 Seiten.
ISBN: 978-3-89029-547-3


Genre: Sachbuch allgemein