Praktischer Verschluss, modischer Zierrat, Statussymbol, Wirtschaftsfaktor oder begehrtes Sammelobjekt – Knöpfe spielen seit vor- und frühgeschichtlicher Zeit für die Menschen viele verschiedene Rollen. Zu einem facettenreichen und liebevoll bebilderten Streifzug durch Herstellung, Gebrauch und Kulturgeschichte dieser nur scheinbar unbedeutenden Gegenstände lädt Stephanie Schneider in ihrem Knopfbuch ein.
Nach einer kurzen Vorstellung der gebräuchlichsten Knopfformen und -größen stehen zunächst einmal die Materialien im Vordergrund, aus denen Knöpfe hergestellt wurden und werden. Von Naturprodukten tierischen oder pflanzlichen Ursprungs wie Perlmutt, Holz, Hirschhorn oder Bambus bis hin zu allerlei modernen Kunststoffen ist die die Auswahl schier unüberschaubar und hält neben Gewöhnlichem auch manch Exotisches bereit, das die meisten Leserinnen und Leser wohl nicht im eigenen Kleiderschrank finden dürften (wie z.B. Haizähne oder Schreibmaschinentasten).
Der daran anschließende umfangreichste Teil des Buchs ist der Geschichte des Knopfs gewidmet, der, zunächst nur mit einer Schlaufe als Gegenstück, ab dem Hochmittelalter auch mit dem uns heute vertrauteren Knopfloch, schon früh in allen möglichen Formen überliefert ist und sich flexibel allen Wandlungen von Mode und Selbstdarstellung anpasste. Hier finden sich daher auch viele kostümhistorische Details, die weit über das Thema Knopf hinausgehen.
Abschließend folgen noch eine kleine Sammlung von Kuriosa und Anekdoten und eine Betrachtung des Phänomens der Knopfkiste, die es in vielen Haushalten gibt. In Stephanie Schneiders persönlichen Betrachtungen und Erinnerungen zu diesem Thema entfaltet das Buch seinen größten Charme, und man liest schmunzelnd von Kinderspielen und Familienüberlieferungen, die sich mit Knöpfen verbinden.
Leider kann man jedoch bei einigen der historischen Informationen insbesondere über die frühesten Epochen berechtigte Zweifel haben, ob sie zutreffen. So können koptische Gräber nicht „aus der Zeit um 4500 bis 4000 v.Chr. “ (S. 56) stammen, sondern müssen wesentlich jünger sein. Auch wenn „die ersten Metallknöpfe der Bronzezeit, wie ‚Ötzi‘ sie getragen hat“ (S. 55), Erwähnung finden, darf man sich wundern. Nicht genug damit, dass der berühmte Gletschermann gemeinhin in die Jungsteinzeit bzw. Kupferzeit datiert wird und damit wohl etwa tausend Jahre vor Beginn der mitteleuropäischen Bronzezeit starb, zu seiner Kleidung gehörten laut Literatur zum Thema gar keine Knöpfe. Aufgrund der Konzeption eher als unterhaltsamer Geschenkband denn als Fach- oder Sachtext mit Quellennachweisen bleibt unklar, woher solche Fehlinformationen stammen, doch sie sorgen natürlich dafür, dass man auch auf Gebieten, auf denen man sich nicht gut genug auskennt, Bedenkliches sofort zu erkennen, der Zuverlässigkeit des Buchs zu misstrauen beginnt.
Das Gesamturteil muss daher notwendigerweise zweigeteilt ausfallen. Von der liebevollen Gestaltung her und als persönliche Auseinandersetzung mit dem Knopf macht Das Knopfbuch viel Vergnügen, doch als Informationsquelle braucht es zuallermindest vertrauenswürdige Ergänzungen, um einen nicht in die Irre zu führen.
Stephanie Schneider: Das Knopfbuch. Berlin, Insel Verlag, 2018 (Insel-Bücherei 1447), 136 Seiten.
ISBN: 9783458194477