Fragt man nach der Klimakrise und den Landschaftstypen, die CO₂ zu speichern vermögen, stehen im allgemeinen Bewusstsein oft Wälder im Vordergrund. Dass Moore diesbezüglich noch weitaus wichtiger sind, geht dabei oft unter, und genau das ist es, was die Moorökologin Franziska Tanneberger in ihrem gemeinsam mit der Journalistin Vera Schroeder verfassten Buch Das Moor zu ändern gedenkt. Zwar mag man sich als archäologiebegeisterte Germanistin nicht vorstellen, dass sie mit ihrer Einschätzung Recht hat, viele Leute ließen sich besonders davon abschrecken, dass ihnen beim Stichwort Moor zuerst Moorleichen und das schaurige Gedicht vom Knaben im Moor zu einfielen (beides macht Moore doch wohl gerade interessant?), aber wahr ist natürlich, dass Moore mehr Aufmerksamkeit verdient haben, nicht nur, aber eben auch aufgrund ihres Einflusses auf das Klima.
Wer nun allerdings damit rechnet, eine detailverliebte Vorstellung von Flora und Fauna in Moorgebieten geliefert zu bekommen, wird hier nicht das Richtige finden. Einzelne Arten werden zwar durchaus erwähnt (so etwa der Seggenrohrsänger, dessen Schutz Tanneberger besonders am Herzen liegt), aber der einleitende Abschnitt über Moore als Naturraum ist relativ kurz. Im Fokus steht eher die Bedeutung des Moores für die Klimaforschung und -rettung. So erfährt man einiges über die weltweite Verbreitung von Mooren (mit den Schwerpunkten Sibirien, Indonesien und Kongobecken) und noch mehr über den Umgang des Menschen mit dem Moor und wünschenswerte Veränderungen. Denn so segensreich nasse Moore für das Klima sind, so fatal sind in Sachen Treibhausgasausstoß nicht nur der Torfabbau, sondern auch die inzwischen zumindest in Deutschland dominierende Nutzung trockengelegter Moore für Land- und Viehwirtschaft.
Tanneberger schreibt mit viel Verständnis für die Gründe hinter der Moorkultivierung, die in vergangenen Jahrhunderten, als die schlimmen Konsequenzen noch nicht (oder doch immerhin nicht in vollem Umfang) absehbar waren, oft wie die einzige Möglichkeit erschien, armen Landstrichen zu bescheidenem Wohlstand zu verhelfen. Besonders die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, sowohl in der BRD am Beispiel des Bourtanger Moors als auch in der DDR am Beispiel der Friedländer Großen Wiese, wird dabei in den Blick genommen und bei den Empfehlungen für die Zukunft auch bedacht, dass man die Menschen, die auf und von trockengelegten Moorflächen leben, nicht einfach ersatzlos um ihre Existenzgrundlage bringen kann. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang lautet Paludikultur, also ein Bewirtschaftung wiedervernässter Moore, die eine Chance bieten kann, ökologische Notwendigkeiten und ökonomische Interessen unter einen Hut zu bringen.
Aufgelockert wird der Text nicht nur durch Abbildungen (z. T. in Farbe in einem recht umfangreichen Tafelteil) und durch Schilderungen von Tannebergers eigenen Moorerfahrungen (von ersten Abenteuern in ihrer Kindheit bis hin zu ihrer wissenschaftlichen Arbeit einschließlich ihrer Forschungsreisen), sondern auch durch immer wieder eingefügte Interviews mit „Moormenschen“ aller Art, ob sie nun in Umweltschutz, Forschung oder Moorbewirtschaftung aktiv sind. Nicht nur in diesen Einschüben wird deutlich, dass Moorschutz alles andere als unpolitisch ist (sei es nun, dass ein Moorschützer in Belarus seit Jahren im Gefängnis sitzt oder dass die aktuelle Weltlage eine weitere deutsch-russische Zusammenarbeit in der Moorforschung vorerst unmöglich macht). Eine Alternative zur Rettung und – wenn irgend möglich – Wiederherstellung von Mooren sieht Tanneberger aber nicht, so dass sie abschließend noch einmal Acht Schritte (so in der Überschrift des entsprechenden Kapitels), die dazu nötig sind, aufzählt, die man vielleicht eher acht Appelle an ihre Leserschaft (und an die Politik) nennen könnte.
Trotz des gewichtigen Themas liest sich das Buch auch ohne Vorkenntnisse in Sachen Moor leicht, allgemeinverständlich und flüssig; vielleicht ist hier die journalistisch erfahrene Hand der Mitautorin spürbar. Empfehlenswert ist die Lektüre auf alle Fälle, denn man lernt garantiert etwas dazu, ob man nun aus Neugier auf das Moor an sich oder unter der Perspektive des Interesses am Klimaschutz zu dem auch äußerlich ansprechend gestalteten Band greift.
Franziska Tanneberger mit Vera Schroeder: Das Moor. Über eine faszinierende Welt zwischen Wasser und Land und warum sie für unser Klima so wichtig ist. München, dtv, 2023, 240 Seiten.
ISBN: 978-3-423-28324-3