Im römischen Reich spielten Zier- und Nutzgärten in allen Epochen eine wichtige Rolle. Anders als viele Aspekte der materiellen Kultur der Antike sind sie jedoch erst in den letzten Jahrzehnten verstärkt erforscht worden, und bis heute sind viele Fehlannahmen in Umlauf.
So beginnt Stephanie Hauschild Akanthus und Rosen, ihren angenehm zu lesenden und reich bebilderten Spaziergang durch die römische Gartenkultur, konsequenterweise auch nicht mit den antiken Gärten selbst, sondern mit ihren neuzeitlichen Rekonstruktionen, die neben gelungenen immer auch problematische Aspekte haben. Der Vergleich von Ansätzen des 19. Jahrhunderts (wie sie in den Gemälden Lawrence Alma-Tademas oder im Pompejanum in Aschaffenburg greifbar werden) mit modernen Nachahmungen antiker Gärten macht zweierlei deutlich: Einerseits ist das Wissen um Gestaltungsprinzipien und in der Römerzeit bekannte Pflanzen mittlerweile sehr gewachsen. Andererseits bestimmen jedoch immer noch in vielen Fällen Zeitgeschmack und praktische Anforderungen das, was in einem rekonstruierten „römischen“ Garten gezeigt wird (so wird z.B. oft pflegeleichteren Pflanzen der Vorzug gegenüber historisch korrekten gegeben).
Da neu angelegte Gärten nach antikem Vorbild deshalb nur einen groben ersten Eindruck vermitteln können, hilft nur der Blick in Schrift- und Bildquellen sowie auf archäologische Funde. Hier gibt es eine Fülle von spannenden Informationen zu entdecken, vom Ziergarten als Ort der Repräsentation und Muße für die Oberschicht über Obst-, Gemüse- und Kräuteranbau zur Selbstversorgung bis hin zur kommerziellen Blumen- und Fruchtproduktion für die Parfümherstellung (denn neben heute noch zu diesem Zweck eingesetzten Pflanzen wie Rosen und Veilchen waren im alten Rom auch ungewöhnliche Duftnoten populär – etwa Quitte). Tiere im Garten haben ebenso ihren Auftritt wie Dekorationsobjekte und Gartenmöbel, und man erfährt, dass einige Blumen aus der Römerzeit erhalten sind: als Sträuße und Kränze, die in Ägypten als Grabbeigabe dienten und im dortigen Wüstenklima so perfekt trockneten, dass man heute noch bestimmen kann, was für eine Rosensorte verwendet wurde. Auch die Frage, wer eigentlich in Gärten arbeitete, wird diskutiert (so gab es z.B. mit den topiarii schon begehrte und angesehene Gartengestaltungsspezialisten, über die wir mehr wissen als über die wohl für einen Großteil der anfallenden Arbeiten zuständigen Sklaven, Angestellten und Eigentümerfamilien). Aufgrund des geringen Umfangs des Buchs werden viele Themen nur kurz angerissen, doch was man zu lesen bekommt, ist gut und allgemeinverständlich aufbereitet und macht neugierig auf mehr.
Hauschild möchte aber nicht nur ein theoretisches Bild der antiken Gartenkultur vermitteln, sondern auch zum praktischen Nacherleben anregen. Sie räumt ein, dass ein gänzlich als Spiegelbild der Römerzeit gestalteter Garten oder Balkon kaum jemandem Spaß machen dürfte (unter anderem müsste man auf viele heute beliebte, den Römern aber noch unbekannte Pflanzen verzichten). Doch als die antike Kultur, die – übrigens anders als die Griechen! – engagiert Stadtgärten hegte und pflegte, können die Römer all denen Inspirationen liefern, die aus einer kleinen Fläche viel zu machen versuchen. Neben Tipps zu geeigneten Pflanzen finden sich auch einige dem Kochbuch des Apicius entlehnte Rezepte mit Gartenprodukten. Bei dem für einen „Brotsalat mit Kapern nach Apicius“ hat allerdings der Fehlerteufel munter mitgekocht, denn die Überschneidungen zwischen Zutatenliste und Zubereitungsanweisungen sind gering. Wer hoffnungsvoll Minze, Sellerie, Eigelb und Honig bereitgestellt hat, muss sich beim Salatanmischen schnell überlegen, wie er all diese plötzlich nicht mehr benötigten Ingredienzien in Kapern, Gurken und Hühnerleber verwandeln will.
Abgesehen von dieser in ihrer Rätselhaftigkeit irgendwie auch amüsanten Panne ist Akanthus und Zitronen jedoch ein rundum gelungenes Buch, das sowohl Gartenfans einen Ausflug in die Antike ermöglicht als auch Römerbegeisterten einen ersten Einblick in ein sonst oft vernachlässigtes Stück Kulturgeschichte bietet.
Stephanie Hauschild: Akanthus und Zitronen. Die Welt der römischen Gärten. Darmstadt, Philipp von Zabern (WBG), 2017, 168 Seiten.
ISBN: 9783805350709