Tee ist ein faszinierendes und verblüffend vielfältiges Getränk, das leider gerade in Deutschland immer noch zu sehr im Schatten des allgegenwärtigen Kaffees steht. Umso schöner, dass der Kulturhistoriker und Teesommelier Peter Rohrsen dem Tee ein ganzes Buch widmet, das in der bewährten Tradition der Reihe C. H. Beck Wissen kompakt und allgemeinverständlich in das Thema einführt. Rohrsens flüssiger, oft unterschwellig humorvoller Schreibstil garantiert dabei eine angenehme Lektüre und sorgt dafür, dass man das Bändchen schnell verschlungen hat.
Nach einer knappen Vorstellung der Teepflanze (camellia sinensis) und ihrer Biologie schildert Rohrsen zunächst Teeanbau und Teeherstellung, die in ganz verschiedenen Endprodukten resultieren können: Weißer, grüner, schwarzer und gelber Tee sowie Oolong und Pu Erh werden in eigenen kleinen Abschnitten beschrieben, während der Schlussteil des Kapitels ein Bewusstsein für die Logistik weckt, die erforderlich ist, um den Tee aus seinen Anbaugebieten zu Verbrauchern hierzulande zu transportieren.
Die anschließende Einführung in die wichtigsten Anbaugebiete und die für sie charakteristischen Teesorten vereint verblüffend viele Aspekte. Im Vordergrund steht die historische Entwicklung des Teeanbaus, der seinen Ursprung in China nahm und unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen in andere Gebiete eingeführt wurde – in Japan aus eigenem Antrieb, in Indien, Sri Lanka, Indonesien und Kenia dagegen durch die europäischen Kolonialherren, die sich vom Handel mit China unabhängig machen wollten. Zugleich behält Rohrsen jedoch die aktuelle Entwicklung im Blick und erläutert, inwieweit der Tee für die erwähnten Länder immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist und wie sein Anbau sozial- und umweltverträglich gestaltet werden kann (z.B. durch Fair-Trade-Modelle). Eingestreut ist aber auch eine Fülle von charmanten, überraschenden und amüsanten Details: So erfährt man beispielsweise, dass die chinesische Bezeichnung für das, was für uns schwarzer Tee ist, übersetzt eigentlich „roter Tee“ lautet.
Umfassend wird sodann noch einmal der Aspekt des Teehandels und seiner Logistik aufgegriffen, erst unter historischer Perspektive (die einem Bewunderung für die Menschen abnötigt, die auf strapaziösen See- und Karawanenrouten unterwegs waren, und deutlich macht, dass Tee nicht nur im Zuge der Boston Tea Party zum Politikum wurde), dann auf den modernen globalen Teemarkt bezogen.
Nachdem – so könnte man formulieren – der Tee an dieser Stelle des Buchs endlich bei denen, die ihn trinken möchten, angekommen ist, befassen sich die letzten drei Kapitel konsequenterweise auch mit dem, was geschieht, wenn das Handelsgut zum Getränk geworden ist: Zunächst werden gesundheitliche Aspekte abgehandelt, bevor eine weitere kleine Weltreise Einblick in verschiedene Teekulturen ermöglicht, die sich auch abseits der klassischen Teeanbaugebiete entwickelten (z.B. in Russland oder der Türkei, aber auch in Ostfriesland). Den Abschluss bilden praktische Tipps zur Teezubereitung, und sich nach der theoretischen Beschäftigung mit dem Thema zu guter Letzt eine schöne Tasse Tee zu gönnen, ist auch nur zu empfehlen. Appetit darauf hat man nach dem Lesen garantiert, es sei denn, man ist ein unverbesserlicher Teeverächter, der es mit Liselotte von der Pfalz hält, deren von Rohrsen wiedergegebene Einschätzung hier ausdrücklich ohne jede Zustimmung zitiert sei: „Thee kombt mir vor wie Heu und Mist, mon Dieu, wie kann sowas Bitteres und Stinkendes erfreuen?“
Peter Rohrsen: Der Tee. Anbau, Sorten, Geschichte. C.H.Beck 2013, 128 Seiten.
ISBN: 978-3406654176