Meinen ersten Kontakt zu Susanne Bonns Büchern hatte ich vor Jahren, als mir zufällig ihr Historienkrimi Der Jahrmarkt zu Jacobi (übrigens lesenswert!) auffiel. Umso mehr hat es mich natürlich vor kurzem gefreut, festzustellen, dass sie auch mein Lieblingsgenre Fantasy schreibt. Der Weg nach Hause ist ein kurzes Buch, das zwei kleine Erzählungen miteinander vereint.
In der Geschichte Der Weg nach Hause, die ihren Titel mit dem gesamten Buch teilt, ist der aus einfachen Verhältnissen zum geachteten Ritter aufgestiegene Groreg nach langen Jahren auf dem Weg zurück in seine Heimat, als er unversehens von Wegelagerern bewusstlos geschlagen wird. In der Obhut fahrenden Volks erwacht er wieder und glaubt seinen neuen Bekannten kein Wort, als sie ihm versichern, ihn nicht selbst überfallen, sondern nur gerettet zu haben. Eigentlich möchte er sie so schnell wie möglich wieder loswerden, aber der Rückweg in sein altes Leben hat seine Tücken.
In Kapuzinerkresse dagegen führt die Gärtnerin Seli Besil unter dem Joch der korrupten Obrigkeit eines frühneuzeitlich inspirierten Polizeistaats ein beschwerliches Leben. Als in ihrem Garten unter dem alten Holunder, den man den Ratschlägen der älteren Generationen ihrer Familie nach tunlichst in Ruhe lassen sollte, eine ihr unbekannte und darum unheimliche Pflanze entdeckt, muss sie es riskieren, eine Verwandte in einem etwas entfernt gelegenen Ort zu besuchen, um sie um Rat zu fragen. Doch solch ein Ausflug ist in ihrer Welt nicht ohne Probleme möglich und hat endgültigere Konsequenzen, als Seli Besil je erwartet hätte.
So gegensätzlich die Hauptfiguren der beiden Geschichten auch sein mögen, eint beide doch, dass sie, mit einer erschreckenden Situation konfrontiert, alte Vorurteile ablegen müssen, um einen gangbaren Weg in die Zukunft zu finden. Sind es in Groregs Fall sowohl die kleingeistige Enge seines Herkunftsdorfs als auch die Arroganz seines neuen Ritterstands, die ihm die Sicht auf das Wesentliche versperren, ist es bei Seli Besil die mangelnde Bereitschaft, sich auf Herausforderungen (wie etwa für sie als Lesefaule nur schwer zugängliche schriftliche Informationen) einzulassen, die erst überwunden werden muss. Ganz leicht fällt es beiden nicht, über ihren Schatten zu springen, und so braucht es jeweils erst die Erfahrung, im gewohnten Umfeld aus verschiedenen Gründen nicht mehr willkommen zu sein, um den entscheidenden Schritt nach vorn zu wagen.
Susanne Bonn erzählt davon auch sprachlich schön und mit dem Mut, manches offenzulassen und so eher die Phantasie ihrer Leserinnen und Leser anzuregen, als jedes Detail vorzugeben. Die skizzierten Kulissen mit ihrem mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Flair sind eigentlich an Kurzgeschichten fast schon verschwendet und könnten sehr gut auch als Romansetting dienen. Wer Lust auf historisch inspirierte Fantasy hat, die abseits dramatischer Weltrettungen und magisch überfrachteter Auserwählter die kleinen Geschichten am Wegesrand aufspürt, dem bietet Der Weg nach Hause eine nette schnelle Lektüre für zwischendurch.
Susanne Bonn: Der Weg nach Hause. Lindenfels, Selbstverlag, 2020, E-Book.
ISBN (Printausgabe): 978-3753109343