Frühe Kulturen der Ägäis

Der Titel ist Programm: In Frühe Kulturen der Ägäis stellt Klaus Tausend unter dem ansprechenden Untertitel Die Ahnen der homerischen Helden die Kulturen des Ägäisraums vom Neolithikum bis in die mittlere Bronzezeit vor, teilweise mit einzelnen Ausblicken in spätere Epochen. Ein zweiter Band, der sich mit der Spätbronzezeit bis frühen Eisenzeit und insbesondere mit den Mykenern befassen soll, ist in Planung. Gedacht ist die Einführung nicht nur für das Studium, sondern auch für ein an der Epoche interessiertes breites Publikum. Anders als in einer reinen Fachpublikation wird dementsprechend auch überwiegend auf eine Auseinandersetzung mit Forschungsdebatten verzichtet, sondern vor allem nüchtern die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung referiert.

Nach einer Einleitung, die nicht nur einen knappen forschungsgeschichtlichen Überblick bietet, sondern auch die Fragwürdigkeit des Ansatzes erläutert, aus den griechischen Sagen allzu konkrete Rückschlüsse auf tatsächliche historische Geschehnisse ziehen zu wollen, ist die Darstellung geographisch gegliedert. Jeweils ein Kapitel ist Troia, Zypern, den Kykladen, Kreta, Aigina und dem griechischen Festland gewidmet. In sich sind diese Kapitel chronologisch geordnet und schildern die Siedlungsgeschichte und kulturelle Entwicklung der einzelnen Gebiete. Eingangs erleichtert immer eine Tabelle zur örtlich unterschiedlichen Periodisierung der prähistorischen Epochen die Orientierung. Im Fließtext werden die allgemeinen Informationen dadurch aufgelockert, dass in farblich abgesetzten Kästen einzelne Fundorte als Beispiele beschrieben werden, sei es nun, dass sie besonders typisch für eine bestimmte Zeit sind oder dass sie bemerkenswerte Besonderheiten zu bieten haben. Hier erfährt man z.B. Näheres zu bestimmten Siedlungsschichten von Troia oder zum Palast von Knossos.

Wohl auch dank des guten Forschungsstands zu den dort lebenden Minoern enthält das Kapitel über Kreta zusätzlich eigene Abschnitte über Gesellschaft und Wirtschaft, Religion, Gräber und Bestattungen, Architektur und Kunst sowie Seefahrt und Schiffe, während diese Aspekte bei den anderen Regionen in die Unterkapitel zu den jeweils behandelten Epochen integriert sind.

Kartenmaterial, Grundrisse, Fotos einzelner Funde oder Ausgrabungsstätten und schematische Skizzen illustrieren den Band und tragen zur Anschaulichkeit bei. Insgesamt ermöglicht das Buch so einen übersichtlichen Einstieg in eine frühe Phase der Geschichte Griechenlands und ausgewählter angrenzender Regionen, der in dieser Kompaktheit sonst bisher gefehlt hat.

Nur das Korrekturlesen ist offenbar eher flüchtig erfolgt. Dieses Versäumnis wäre zu vernachlässigen, wenn dabei nur harmlose Fehler wie der übersehen worden wären, dass das Kapitel zur Insel Aigina die sonderbare Überschrift „Aiginabook“ trägt (S. 139, im Inhaltsverzeichnis, S. 6, dagegen schlicht „Aigina“). Leider brechen aber auch ganze Sätze ab, ohne dass man aus dem Kontext ihren Fortgang erraten könnte (z.B. S. 87), oder sind durch eine unglückliche Absatzgestaltung auseinandergerissen (z.B. S. 36 und 49). Falls es irgendwann zu einer Neuauflage der ansonsten sehr nützlichen Einführung kommt, besteht hier noch Verbesserungspotenzial.

Klaus Tausend: Frühe Kulturen der Ägäis. Band 1: Die Ahnen der homerischen Helden. Stuttgart, Kohlhammer, 2021, 194 Seiten.
ISBN: 978-3-17-036338-0


Genre: Geschichte