Mordsache Caesar

Kann man einen historischen Mord analysieren wie einen modernen Kriminalfall? Einen Versuch, ebendas zu tun, unternimmt Michael Sommer in Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators. Den Untertitel darf man dabei nicht allzu wörtlich nehmen, denn obwohl dem unmittelbaren Vorfeld von Caesars Ermordung besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, zeichnet das Buch im Prinzip Caesars kompletten Werdegang und die Entwicklung seines Verhältnisses zu den Personen, die sich am Ende gegen ihn verschworen, nach.

Im Aufbau erinnert die Darstellung dabei noch am ehesten an mit Spielszenen aufgelockerte populäre Fernsehdokumentationen zu historischen Themen: Den einzelnen Kapiteln sind kurze, mehr oder minder quellennah gestaltete fiktive Szenen, die jeweils eine bestimmte Person in den Vordergrund rücken, vorangestellt, und den Fließtext selbst unterbricht hier und da ein „Aktenvermerk des Historikers“, um bestimmte Fragestellungen und spekulative Überlegungen hervorzuheben.

Die Grundthese, die Sommer dabei im Abwägen der verschiedenen Quellen, aber auch in Auseinandersetzung mit dem Caesarbild bei William Shakespeare, Martin Jehne und Christian Meier entwickelt, lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen: Das ständige Wetteifern der Nobilität um Ämter und Ruhm, das die römische Republik entscheidend prägte, bildete einerseits den Nährboden, auf dem ein ehrgeiziger Einzelner wie Caesar es aus der relativen Bedeutungslosigkeit bis zur Alleinherrschaft bringen konnte, barg aber andererseits auch den Keim für seinen Untergang, da seinen Standesgenossen durch seinen dauerhaften Verbleib an der Spitze die Möglichkeit genommen war, jemals höher als bis an die zweite Stelle im Staat aufzusteigen.

Den Hauptgrund für das politische Scheitern der Caesarmörder, die durch ihre Tat letztlich nur dem späteren Augustus eine bessere Ausgangsposition im anschließenden Machtkampf verschafften und damit den Weg zur dauerhaften Etablierung einer Monarchie ebneten, sieht Sommer denn auch in der Tatsache, dass bei vielen der Verschwörer eher egoistische Motive in Spiel waren und die wenigen beteiligten Idealisten (zu denen er etwa Marcus Iunius Brutus zählt) allein keinen Entwurf für einen Neubeginn der Republik zu entwickeln vermochten, der breitere Kreise überzeugt und mitgerissen hätte.

Das alles schildert Sommer mit viel Verve und Gespür für Dramaturgie, vor allem aber in dem Bemühen um eine Verlebendigung seiner Protagonisten. Packend ist die Lektüre also ohne jede Frage, aber inwieweit man den gewählten Sprachstil als angenehm lässig oder doch eher als manchmal zu gewollt flapsig empfindet, hängt wohl vom persönlichen Geschmack ab: Das Rad der Geschichte kann man hier „mit Schmackes“ (S. 15) drehen, damit, dass es im Senat „Stunk“ (S. 260) gibt, ist zu rechnen, nach der Schlacht von Pharsalos ist für die Republikaner „der Drops gelutscht“ (S. 194), und später stellen Brutus und Cassius ihr „Team Tyrannenmord“ (S. 224) zusammen. Auch abseits davon wirkt mancher Ausdruck einfach zu modern für das, was gemeint sein könnte (denn verschickte man Briefe in der römischen Antike wirklich schon in einem „Kuvert“, so S. 190 in einer der imaginären Szenen?).

Etwas gründlicher hätte das Lektorat sein können, denn leider sind einige missverständliche oder schlicht falsche Formulierungen stehen geblieben. Unter anderem erfährt man so, dass Caesar eine Leichenrede „auf seine Witwe“ (S. 142) hielt – eine stramme Leistung, aber einem so entschlossenen Mann sollte man wohl zutrauen, zu dem Zweck aus dem Jenseits zurückzukehren (oder realistischer, aber deutlich langweiliger annehmen, dass mit der „Witwe“ eigentlich Caesars verstorbene erste Frau gemeint ist).

Nur partiell gelungen ist auch die digitale Rekonstruktion des Forum Romanum im hinteren Vorsatz, denn so nett der Gesamteindruck der Architektur auch sein mag, ist doch arg offensichtlich, dass in der Menschenmenge im Vordergrund dieselben Figuren immer wieder an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Größen auftreten und offensichtlich nur per Kopieren und Einfügen über das Bild verteilt wurden. Eine klassische zeichnerische Rekonstruktion hätte deutlich mehr Charme gehabt.

So bleibt der Gesamteindruck am Ende durchwachsen. Unterhaltsam und spannend schreibt Sommer allemal, und seine Analyse des Zustandekommens von Caesars Ermordung ist durchaus gelungen und interessant, ganz gleich, ob man ihm nun in jedem Detail zustimmen möchte oder nicht. Wie sehr einem die äußere Verpackung dieser Forschungsergebnisse liegt, wird sich aber je nach individueller Disposition unterscheiden.

Michael Sommer: Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators. München, C.H. Beck, 2024, 320 Seiten.
ISBN: 978-3-406-82133-2


Genre: Biographie, Geschichte