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Lacroix und die Toten vom Pont Neuf

Unter dem Pont Neuf in Paris wird ein Obdachloser ermordet aufgefunden. Der ein wenig altmodische Kommissar Lacroix und seine Mitarbeiter nehmen sich des Falls an. Bald rückt ein kriminelles Brüderpaar, das im Milieu Schutzgelderpressung betreibt, in den Fokus der Ermittlungen, aber als es nicht bei einer einzigen Leiche bleibt, steht bald ein ganz anderer Verdacht im Raum: Ist etwa der nie gefasste Serienkiller zurück, der schon vor Jahrzehnten an der Seine umging – oder sind die Motive für die neuen Morde vielleicht doch persönlicherer Natur?

Es ist ein sehr klassischer Krimi, den Alex Lépic mit Lacroix und die Toten vom Pont Neuf, dem Eingangsband einer neuen Reihe, vorlegt. Zwar gibt es ein paar behutsame Modernisierungen – so etwa ein recht divers aufgestelltes Ermittlerteam, in dem besonders die engagierte Jade Rio hervorsticht, die aus einem französischen Überseegebiet stammt und in einer lesbischen Ehe lebt -, aber die Hauptfigur Lacroix wird nicht ohne Grund auch buchintern gern mit Maigret verglichen. Technischen Neuerungen abhold, dafür aber mit einer Vorliebe für gutes Essen gesegnet und bestens in einem bei seinen Nachforschungen hilfreichen Umfeld verwurzelt, kann sich der Kommissar ganz auf sein Gespür verlassen und auf traditionelle Art die richtigen Schlüsse aus seinen Beobachtungen ziehen.

Die Runde kauziger Gestalten vom alten Gemüsehändler über die Wirtin des Stammbistros bis hin zum als Priester mit Gott und der Welt bekannten Bruder, die als privater Bezugsrahmen um den Helden etabliert wird, ist nicht unsympathisch, aber typenhafter geraten als z.B. das wiederkehrende Personal in den Krimis von Louise Penny. In gewisser Weise gilt das auch für das Paris, das Lépic beschreibt: Bekannte Landmarken, die auch in jedem Reiseführer vorkommen, haben ihren Auftritt, und das Leben an der Seine wird vielleicht etwas zu sehr so geschildert, wie ein deutsches Publikum es sich gern ausmalt, als wie es wirklich sein könnte. Ein bisschen hat man deshalb den Eindruck, dass der Reiheneinstieg gezielt darauf ausgerichtet ist, auf der Erfolgswelle der Frankreichkrimis mitzuschwimmen, die im Gefolge der beliebten Werke insbesondere von Martin Walker und Jean-Luc Bannalec seit Jahren in wachsender Zahl erscheinen.

Solange man die Erkenntnis, dass hier vorauseilend ganz bestimmte Lesevorlieben bedient werden, mit Humor nehmen kann, wird man jedoch von der Geschichte gut unterhalten. Der eigentliche Kriminalfall ist spannend gestaltet, auch wenn es der Autor seinem Protagonisten bei der Klärung der Frage, ob eine Verbindung zwischen den neuen Mordfällen und denen in der Vergangenheit besteht, vielleicht einen Hauch zu einfach macht. Das Drumherum mit ausgedehnten Bistrobesuchen und Gesprächen auch über Themen abseits der Ermittlungen liest sich vergnüglich, und sich irgendwann auf einen weiteren Besuch in Lépics Paris einzulassen, schadet sicher nicht.

Gründlicher hätte allerdings das Korrektorat vorgehen können, denn neben den üblichen Tippfehlern, die man immer einmal übersehen kann, sind hier und da auch regelrechte Stilblüten stehen geblieben (z.B., wenn Lacroix sich auf der Suche nach Beweismaterial bei einigen Müllmännern erkundigt, ob sie „die restlichen Mülltonnen denn gelehrt“ hätten, S. 156).

Alex Lépic: Lacroix und die Toten vom Pont Neuf. Zürich, Kampa, 2019, 272 Seiten.
ISBN: 978-311-12500-6


Genre: Roman