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Im Garten

Gärten sind sowohl Zeugnisse von Kultur als auch für viele Menschen der letzte Ort eines unmittelbaren Kontakts zur Natur in einer zunehmend technisierten und verstädterten Welt. Dieses Spannungsverhältnis ist es, vor dessen Hintergrund Susanne Wiborg, die sonst eher über eigene Gartenerfahrungen schreibt, sich aus historischer und sprachlicher Sicht dem Phänomen Garten oder – so der Untertitel – der Wörterpracht vor meiner Tür widmet.

Von zentraler Bedeutung für jeden Garten und damit natürlich auch für dieses Gartenbuch sind die Pflanzen, und so finden sich unter den als Ausgangspunkt der Überlegungen dienenden Wörter die Namen von zahlreichen Blumen wie Akelei, Christrose oder Schneeglöckchen, aber auch von Nutzpflanzen wie ApfelHolunder und Quitte. Die umgebende und schützende Hecke wird ebenso erwähnt wie der Gartenweg, auf dem man sich durch die bunte Fülle bewegt, die ohne Dünger und das passende Wetter nicht gedeihen wird. Dass dabei ungewollt das Unkraut fröhlich sprießt, wird erfahrene Gärtnerinnen und Gärtner nicht weiter verwundern. Daneben kommen aber auch tierische Gartenbewohner zu ihrem Recht, wie die Biene, das Rotkehlchen oder – weit weniger beliebt – die Schnecke.

Jedem der dreißig ausgewählten Begriffe ist dabei ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem, gestützt von zahlreichen literarischen Zitaten und bisweilen auch etymologischen Überlegungen, die Kulturgeschichte des Bezeichneten liebevoll erläutert wird. Dabei geht es kreuz und quer durch die (vor allem europäische) Geschichte, in der Gartenpflanzen in irgendeiner Form immer präsent waren, ob nun als fleur de lys im Wappen der Bourbonen, beim Wandel der Nelke vom erotisch konnotierten Liebessymbol zum politischen Zeichen oder im Zuge des Tulpenfiebers in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Auch Glaubensvorstellungen kommen ohne Pflanzen nicht aus, und so wird hier erörtert, ob die Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht vielleicht eher als Quitte denn als Apfel zu denken ist, und aufgezeigt, welchen paganen und volksreligiösen Gehalt der Holunder hat.

Zur Illustration dienen historische Gemälde, von berühmten wie Dürers Akelei und Arcimboldos Winter bis hin zu nicht minder schönen, aber einer breiten Öffentlichkeit immer noch viel zu wenig bekannten wie den zarten Stillleben von Giovanna Garzoni.

Insgesamt liest sich das Büchlein ebenso lehrreich wie amüsant und ist dank seines gut lesbaren Schreibstils auch für alle zu empfehlen, die sonst weniger von Sachbüchern halten: Die nett angerichteten Wörterhäppchen langweilen garantiert nicht und lassen einen vielleicht so manches im Garten von nun an mit etwas anderen Augen sehen.

Und übrigens: Wer das Buchkonzept interessant findet, sich aber lieber mit der freien Natur als mit der gebändigten befasst, findet in Rita Mielkes Im Wald die passende Alternative.

Susanne Wiborg: Im Garten. Wörterpracht vor meiner Tür. Berlin, Duden, 2020, 176 Seiten.
ISBN: 978-3-411-71785-9


Genre: Sachbuch allgemein

Gäste in meinem Garten

Bienen, eine ganze Hühnerschar, eine Terrierdame namens Erbse, allerlei Wildvögel, eine verirrte Brieftaube, Weinbergschnecken und Eichhörnchen, die sich voller Begeisterung ihren Anteil an der Pilz- und Kirschernte sichern – das sind nur einige der Tiere, die in Susanne Wiborgs liebenswertem Buch Gäste in meinem Garten ihren Auftritt haben. Der von Rotraut Susanne Berner charmant und humorvoll illustrierte kleine Band ist eine Sammlung von Kolumnen, die sich mit Freud, Leid und dem Lauf der Jahreszeiten in einem Garten in der Stadt befassen.

Zwischen Linden, Kürbissen, Krokussen und einem großen Kirschbaum spielt sich das pralle Leben ab: Wenn die Hühner nicht gerade wegen Vogelgrippegefahr in den Stall verbannt sind, werden sie zur Gefahr für den Weinbergschneckennachwuchs, müssen selbst den Habicht fürchten und erregen das unverdiente Mitleid von Passantinnen, wenn sie in der Mauser für bedauernswerte Tierquälereiopfer gehalten werden. Die Bienen dagegen produzieren nicht nur eifrig Honig, sondern leben auch ihre Abneigung gegen intensives Parfüm gnadenlos aus, während die Hummeln ungeniert den Lerchensporn durchlöchern. Andere Gartengäste sind da deutlich diskreter: So ist die scheue Heckenbraunelle zwar erkennbar anwesend, lässt sich aber trotz aller Bemühungen der Autorin nicht beim Brüten ertappen.

Geschickt eingeflochten in diese Tierbeobachtungen und in die gärtnerischen Erlebnisberichte (z.B. über Abenteuer mit Indischem Springkraut oder großes Pech bei dem Versuch, neue Clematis anzupflanzen) sind zahlreiche Sachinformationen. Bei allem Unterhaltungswert kann man hier und da also noch einiges dazulernen. Vor allem aber hat man seinen Spaß, denn Susanne Wiborg ist eine Formulierungskünstlerin, deren leiser Humor oft schon aus den Überschriften der einzelnen Texte spricht, die unter anderem einen Königsmord im Hinterhof, eine Nackte auf der Einfahrt oder Rot sehen – aber richtig versprechen. Trotz einiger ernster und durchaus auch trauriger Stellen schmunzelt man sich also die meiste Zeit über zufrieden durch das Leseerlebnis. Gärtnernde Leserinnen und Leser werden häufig vor allem aufgrund des Wiedererkennungseffekts lachen (wenn z.B. eine neue Blume doch nicht die geplante Blütenfarbe entwickelt oder die Kürbiszucht nicht ganz so verläuft wie geplant), aber auch allen anderen seien die Gäste in meinem Garten als entspannte und sympathische Lektüre ans Herz gelegt.

Susanne Wiborg: Gäste in meinem Garten. Bienen, Amseln, Huhn und Star. Mit Bildern von Rotraut Susanne Berner. München, Verlag Antje Kunstmann, 2019, 142 Seiten.
ISBN: 978-3956142970


Genre: Sachbuch allgemein