Im schwedischen Malmö landen alle Fälle, die dem Rest der Kriminalpolizei zu unwichtig und zugleich zu bizarr sind, im Dezernat für heikle Fälle bei Kommissar Ulf Varg und seinem Team. Ein rätselhafter Angriff auf einen Markthändler bereitet ihm ebenso viel Kopfzerbrechen wie eine Vermisstenmeldung, die durch die Nichtexistenz eines der Beteiligten zur Farce wird, und das Auftauchen eines vermeintlichen Werwolfs an einem Hotel, das ausgerechnet der Verwandtschaft seines Vorgesetzten gehört. All das wäre ja vielleicht noch zu bewältigen, aber Ulf hat auch noch mit eigenen psychischen Problemen, einer handfesten Depression seines geliebten Hunds Martin und seiner uneingestandenen Liebe zu der verheirateten Polizistin Anna zu kämpfen … Kann das gut gehen?
In Skandinavien angesiedelte Krimis sind oft betont sozialkritisch und düster. Diese literarische Tradition ironisiert der vor allem für seine in Botswana spielende Krimireihe um Precious Ramotswe bekannte, ungewöhnlich produktive Autor Alexander McCall Smith, wenn er mit seinem neuen Roman Das Dezernat für heikle Fälle einen humoristischen Blick auf eine schwedische Polizeiabteilung und ihre skurrilen Erlebnisse wirft. Ein Augenzwinkern schwingt schon in der Namensgebung mit: Der Held Ulf Varg dürfte eine Anspielung auf Gunnar Staalesens Reihe um Varg Veum sein, während sein ungeliebter Kollege Blomquist sein namentliches Vorbild bei Astrid Lindgren hat.
Auch ansonsten gibt es trotz einiger ernster Untertöne viel zu lachen – wie viel genau jedoch, ist eindeutig Geschmackssache. Die mit der Attacke auf dem Markt zusammenhängende Episode um den Oberst, die gemeinnützige Arbeit und den Kampfmittelräumdienst z. B. ist überzogen genug, um hart an der Grenze der Glaubwürdigkeit zu sein, und würde vielleicht auch mit einem der Kolonialzeit nachtrauernden britischen Offizier besser funktionieren als mit einem Schweden. In anderen Passagen dagegen ist der Humor unaufdringlicher und damit auch ansprechender, etwa in Ulfs Psychotherapiesitzungen mit dem selbst an einigen Problemen herumlaborierenden Dr. Svensson, die das Motiv des gebrochenen Ermittlers liebevoll auf die Schippe nehmen, oder in seinen Dialogen mit seinem ebenso gesundheitsbewussten wie redseligen Kollegen Blomquist, der es nur gut meint und Ulf dabei dennoch entsetzlich auf die Nerven geht. Auch die Art, wie elegant vermieden wird, den angelbegeisterten Erik, ein weiteres Mitglied des ungewöhnlichen kleinen Dezernats, für seine mangelnde Allgemeinbildung bloßzustellen, ist so nett und witzig, dass sie einen mit den weniger gelungenen Aspekten des Buchs ein bisschen versöhnt.
Neben der teilweise fast schon zu unernsten Grundausrichtung ist eine weitere potentielle Schwäche die sehr episodische Erzählstruktur, die eigentlich nur drei voneinander unabhängige Fälle reiht, aber nicht genügend Querverbindungen zwischen den einzelnen Handlungsabschnitten bietet, um das Buch als Gesamtpaket wirklich spannend zu machen. Die Hoffnung auf einen besonders clever konstruierten Krimi mit zahlreichen falschen Fährten und unerwarteten Zusammenhängen sollte man also besser gar nicht erst an das Dezernat für heikle Fälle herantragen. Durchaus vergnüglich ist es dagegen als Unterhaltungsroman um eine Runde schräger Typen, die hier erkennbar schon für potentielle weitere Bände einer Serie in Stellung gebracht wird. Abgesehen davon verdient der Roman auch dafür Sympathie und Respekt, dass er nicht die voyeuristische Lust an besonders grausigen Verbrechen bedient, sondern demonstriert, dass man Ermittlungsarbeiten auch dann interessant schildern kann, wenn es nicht um Mord, sondern um die großen und kleinen Absurditäten des Alltags geht.
Alexander McCall Smith: Das Dezernat für heikle Fälle. Kommissar Varg ermittelt. München, Droemer Knaur, 2020, 304 Seiten.
ISBN: 978-3-426-52561-6