Das zerstörte Leben des Wes Trench

Harte Arbeit, Armut und Perspektivlosigkeit prägen das Leben in der Barataria Bay, einem sumpfigen Küstengebiet in Louisiana, in dem der junge Wes Trench als Sohn eines Shrimpfischers heranwächst. Seit dem Tod seiner Mutter ist sein Verhältnis zu seinem Vater angespannt, und in der verzweifelten Lage nach einer Ölkatastrophe eskaliert der Konflikt. Um unabhängig von seinem Vater auf seinen Traum von einem eigenen Boot hinarbeiten zu können, heuert Wes bei dem einarmigen Shrimpfänger Lindquist an, der seit seiner Jugend plant, irgendwann den sagenumwobenen Schatz des Piraten Jean Lafitte zu heben. Bei seiner Suche kommt er der Marihuanaplantage der berüchtigten Brüder Toup gefährlich nahe. Doch auf deren Drogenzucht haben es noch ganz andere Gauner abgesehen …
So weit die Grundzüge von Tom Coopers Erstlingsroman Das zerstörte Leben des Wes Trench. Allerdings ist die Handlung an dieser Mischung aus Milieustudie und Abenteuergeschichte gar nicht einmal das Zentrale. Das Buch besticht viel mehr durch seine sperrigen und bisweilen skurrilen Charaktere und seine atmosphärischen Schilderungen von Landschaft und Lebensweise. Ständig präsent ist die überbordende Natur, die einerseits die durch menschliches Fehlverhalten gefährdete Existenzgrundlage der Fischer bildet, andererseits aber auch bedrohliche Züge aufweist: Ein Hurrikan, den der Vater zunächst unterschätzt, kostet Wes‘ Mutter das Leben, und im Verlauf der Ereignisse um den Drogenanbau der Toups lernt mehr als nur eine Figur die furchterregenden Seiten der Sümpfe kennen.
Auch sollte man sich nicht zu sehr auf den deutschen Titel verlassen, der allein die Gestalt des Wes Trench in den Vordergrund rückt (im amerikanische Original ist das Buch weit passender als The Marauders erschienen). Zwar bilden sein Heranreifen und sein Ringen mit seinem Vater, dem er nicht zuletzt die Schuld am Ertrinken seiner Mutter gibt, einen entscheidenden Handlungsstrang, doch ist seine Geschichte letztlich nur eine unter vielen miteinander verflochtenen, in denen abwechselnd unterschiedlichste Protagonisten die Hauptrolle spielen, wobei allerdings auffällt, dass Frauen sträflich vernachlässigt werden. Ob auf dem Fischerboot oder im Ölunternehmen, in der Kneipe oder unter Ganoven, die Erfahrungen von Männern interessieren Tom Cooper am meisten. Verbindende Konstante ist dabei, dass sein Augenmerk denjenigen gilt, für die der amerikanische Traum eigentlich ausgeträumt scheint und die sich dennoch irgendwie durchzuschlagen wissen.
Mit einigen (nicht nur sprachlichen) Derbheiten muss man sich dabei abfinden, und manche Wendungen, die die Geschichte kurz vor Schluss noch nimmt, sind nichts für schwache Nerven – so demonstriert etwa die örtliche Fauna ziemlich blutig, dass nicht unbedingt immer der Mensch am obersten Ende der Nahrungskette steht. Wie sehr einem solche Elemente und auch die allgemeine Schwerpunktsetzung zusagen, ist in hohem Maße Geschmackssache, doch ganz unabhängig davon muss man einräumen, dass Cooper eine überzeugende und trotz beträchtlicher Schattenseiten auch faszinierende Welt heraufbeschwört. Für einen spannenden Leseausflug in einen eher unbekannten Winkel der Vereinigten Staaten ist Das zerstörte Leben des Wes Trench, das vielleicht am Ende doch nicht gar so hoffnungslos ist, wie der Titel suggeriert, also durchaus zu empfehlen.

Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench. Berlin, Ullstein, 2016, 384 Seiten.
ISBN: 9783550080968


Genre: Roman