Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis

Ohne den Buchdruck und die dadurch ermöglichte massenhafte Verbreitung von Flugblättern und ähnlichen Schriften, die aktuelle Themen aufgreifen konnten, hätte es den Bauernkrieg ebenso wenig wie die eng mit ihm verflochtene Reformation gegeben – das ist die Prämisse, von der Thomas Kaufmann in seinem umfangreichen Werk Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis ausgeht, um den Umgang der Druckwerke der Zeit mit dem Bauernkrieg speziell, aber auch mit Bauern allgemein unter die Lupe zu nehmen.

Eine Einführung in den Bauernkrieg an sich ist das Buch gleichwohl nicht: Dass sein Lesepublikum die Grundzüge der Ereignisse und ihre wichtigsten Akteure kennt, setzt Kaufmann ebenso voraus wie ein gewisses Maß von Vertrautheit mit Fachausdrücken und alten Sprachen. Hervorhebenswert ist das vor allem deshalb, weil Der Bauernkrieg sich damit in gewisser Weise in eine Tradition einreiht, die der Autor auch schon für die zeitgenössische Publizistik konstatiert: Von einzelnen Ausnahmen wie den Zwölf Artikeln und der Memminger Bundesordnung einmal abgesehen fangen die überlieferten Druckwerke nicht die Stimmen der Bauern selbst ein und haben diese auch nicht als hauptsächliche Zielgruppe, sondern sind eher Zeugnisse von Äußerungen über Bauern aus Sicht zumeist in der Geistlichkeit oder in einem städtischen Umfeld zu verortender Gebildeter.

Zeigt schon der weitgespannte Rezeptions- und Forschungsüberblick, den Kaufmann einleitend bietet, dass in der Historiographie bei aller Kritik am gewaltsamen Vorgehen der Bauern früh Verständnis dafür aufkam, dass sie sich gegen unhaltbare Zustände zur Wehr gesetzt hatten, lässt auch der Blick auf die im Vorfeld und während des Bauernkriegs und kurz darauf veröffentlichten Werke kein einheitlich negatives Bauernbild, sondern von Anfang an eine gewisse Ambivalenz erkennen. Denn neben den Bauern als tumben und ungeschliffenen Rüpel und potenziellen Unruhestifter trat in der Literatur der Zeit mit der Reformation verstärkt der mit gesundem Menschenverstand und Selbstbewusstsein gesegnete einfache Mann, der als Gegenüber und Diskussionspartner ernst genommen werden musste.

Nicht jeder wollte freilich das, was man im philosophisch-theologischen Bereich auf einmal gelten zu lassen bereit war, auch auf politische Belange übertragen, so dass bei weitem nicht alle der Reformatoren, deren Wirken erheblich mit zu der Gemengelage beigetragen hatte, in der es zu einer überregionalen Aufstandsbewegung kommen konnte, auf die Anliegen der Bauern verständnisvoll reagierten. Martin Luthers wüste Invektiven sind diesbezüglich als Negativbeispiel bekannt, aber an ihnen zeigt Kaufmann auch auf, wie es Gegnern aus dem katholischen Lager glückte, durch Nachdrucke aus dem Kontext gerissener Textteile Luthers Äußerungen noch schlimmer erscheinen zu lassen, als sie ohnehin schon waren – ein Vorgehen, das einen durchaus an die in modernen Internetdebatten gern genutzten Tricks erinnern kann.

In den Publikationsstrategien, auf die man zurückgriff, um Widersacher und Rivalen möglichst schlecht dastehen zu lassen, sieht Kaufmann auch den Grund dafür, dass die Bedeutung einzelner Persönlichkeiten des Bauernkriegs, über die viel veröffentlicht wurde, von der Nachwelt überschätzt wurde. So stuft er beispielsweise den Einfluss Thomas Müntzers auf das Gesamtgeschehen weitaus geringer ein, als es in der früheren Literatur bisweilen übrig war (durchaus aber im Einklang mit neueren Darstellungen wie Gerd Schwerhoffs Bauernkrieg). Müntzer hatte wohl schlicht das Pech, dass sich die Wittenberger Reformatoren bereitwillig auf ihn einschossen, um den Einfluss ihrer eigenen Ideen auf die Aufstände herunterzuspielen.

Auch wenn diese letztlich in den meisten Fällen blutig niedergeschlagen wurden und nur in einigen Gebieten, etwa in der Ortenau, durch Verhandlungslösungen tatsächlich Verbesserungen für die Bauern erreicht wurden, wirkten die im Bauernkrieg entwickelten Ideen jedoch fort, sei es in radikalen Utopien, deren Verbreitung im Druck den Verantwortlichen schnell zum Verhängnis werden konnte, oder immerhin in latenten Sympathien, wie sie etwa bei Albrecht Dürer zu vermuten sind, dessen als Lehrstück, nicht als Entwurf für ein konkretes Denkmal konzipierte Bauernsäule einen hinterrücks erstochenen Bauern in Denkerpose so prominent in Szene setzt, dass man dahinter unterschwellige Kritik an den Massakern vermuten kann.

Ob vor, in oder nach dem Bauernkrieg entstanden, vielen Zeugnissen ist gemein, dass neben Überlegungen über die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Erfahrungen mit früheren bäuerlichen Aufstandsversuchen auch religiöse Überzeugungen, aber auch in einem heute kaum noch nachempfindbaren Maße abergläubische Vorstellungen etwa von vermeintlichen astrologischen Einflüssen in die Einschätzung der Lage mit einflossen. Über das spezifische Thema des Bauernkriegs hinaus erlaubt Kaufmanns Buch so Einblicke in die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorherrschende Weltsicht und Mentalität.

Viel Freude macht die üppige Bebilderung, denn die besprochenen, oft mit Holzschnitten illustrierten Druckwerke gleich vor Augen zu haben und die darüber getroffenen Aussagen so unmittelbar nachvollziehen zu können, ist ungemein hilfreich. Im Großen und Ganzen ist die Bildqualität hinreichend, nur bei den Abbildungen aus der Petrarca-Ausgabe Von der Artzney bayder Glück sind die Bilder, vielleicht aus Platzgründen oder mangels besseren Ausgangsmaterials, teilweise so klein, dass es schwierig wird, die erwähnten Details darin zu erspähen.

Das aber ist nur ein kleiner Kritikpunkt, der das, was Der Bauernkrieg zu bieten hat, insgesamt nicht schmälert. Bei Interesse an der Epoche sollte man sich also auf das Medienereignis einlassen, denn ganz gleich, ob man jeder Wertung des Autors folgen mag oder nicht, sein Buch ist schon allein dank der eingeflossenen Materialfülle eine lohnende Lektüre.

Thomas Kaufmann: Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis. Freiburg im Breisgau, Herder, 2024, 544 Seiten.
ISBN: 978-3-451-39028-9


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur