Das hier besprochen Buch ist Teil einer Reihe. Die Rezension des ersten Bandes ist hier zu finden.
Seit die junge Takako in einer Krisensituation Hilfe bei ihrem Onkel, dem exzentrischen Antiquar Satoru, gefunden und nicht zuletzt auch durch das Lesen neuen Lebensmut geschöpft hat, ist einige Zeit vergangen, aber die Buchhandlung Morisaki ist für sie weiterhin ein Anlaufpunkt, und stärker denn je ist sie selbst diejenige, die dort gebraucht wird. Denn ganz einfach haben Satoru und seine Frau Momoko es trotz überstandener holpriger Phasen ihrer Ehe immer noch nicht miteinander, und auch in dem neuen Bekanntenkreis, den Takako im Umkreis des Antiquariats gefunden hat, gibt es mancherlei Probleme. Was etwa belastet ihre äußerlich doch scheinbar so perfekte Freundin Tomo, und welches Geständnis hat Wada, in den Takako sich verliebt hat, zu machen? Doch all die Alltagssorgen erscheinen plötzlich klein, als ein herber Schicksalsschlag über Takakos Familie hereinbricht …
An ein besonders gelungenes und erfolgreiches Buch mit einer direkten Fortsetzung anzuknüpfen, ist immer ein heikles Unterfangen und glückt nicht in jedem Fall. Auch Satoshi Yagisawas neuer Roman Die Abende in der Buchhandlung Morisaki liest sich nicht ganz so wie der Vorgänger Die Tage in der Buchhandlung Morisaki, und das nicht nur, weil die Übersetzung, diesmal von Charlotte Scheurer, im Detail einen etwas anderen Stil als die des ersten Bandes zu haben scheint. Auch hier wird zwar wieder eine überwiegend ruhige Geschichte erzählt (auch wenn ein tragischer Krebstod mehr Dramatik als bisher gewohnt in die Handlung bringt), und es geht abermals um zwischenmenschliche Beziehungen und den Mikrokosmos des Antiquariatsviertels Jinbocho mit seinen teils kauzigen, teils liebenswerten Gestalten, doch ein entscheidender Aspekt, der Die Tage in der Buchhandlung Morisaki sehr prägt, kommt etwas zu kurz: der Zauber des Lesens an sich.
Natürlich wäre es bei dem gewählten Handlungsort ungewöhnlich, wenn Bücher gar keine Rolle mehr spielen würden, und sie kommen auch durchaus vor, von der Suche nach einem schier unauffindbaren über Parallelen zwischen Romanen und Realität sowie die Lektürevorlieben und Schreibambitionen einzelner Figuren bis hin zu einem unveröffentlichten und nur für einen einzigen, ganz besonderen Leser bestimmten Text. Aber der Charme der Geschichte, wie eine aus der Bahn geworfene junge Frau überhaupt erst zur eifrigen Leserin wird und durch die Literatur den Anstoß findet, auch wieder im übrigen Leben Fuß zu fassen, lässt sich in der Form nicht wiederholen, und so ist dieser zweite Band eher etwas für Fans des ersten, die wissen wollen, wie es mit liebgewonnenen Charakteren weitergeht. Ein schlechtes Buch ist es auch diesmal nicht geworden, sondern eines, das trotz aller traurigen Elemente mit vielen warmherzigen und positiven Momenten aufwartet. Allerdings funktioniert das alles wirklich besser als Anhängsel des schon Bekannten; allein für sich genommen hat es nicht ganz denselben Reiz.
Satoshi Yagisawa: Die Abende in der Buchhandlung Morisaki. Berlin, Insel Verlag, 2024, 256 Seiten.
ISBN: 978-3-458-64451-4