Die Elfe vom Veitner Moor

Die Kriegerin Ayla, die schon bessere Zeiten gesehen hat, ist als Kommandantin der Stadtwache in dem verregneten Provinznest Abilacht gestrandet. Die ackerbürgerliche Langeweile endet jäh, als ein Hirtenjunge im nahen Moor eine tote Elfe entdeckt, die niemand zu vermissen scheint. Ayla schließt auf einen Mord und nimmt die Ermittlungen auf, obwohl der örtliche Burgherr sehr erpicht darauf ist, die Angelegenheit als tragischen Unfall zu den Akten zu legen. Doch was die Elfe Saliniome, die das Opfer noch kurz vor seinem Tod gesehen haben will, zu berichten weiß, spricht für ein Gewaltverbrechen, so dass Ayla unterstützt von dieser einzigen Zeugin weiter nachforscht. Bald wird den beiden klar, dass sie es mit weit mehr zu tun haben als mit einem gewöhnlichen Überfall auf einsamer Landstraße – und dass auch der geheimnisvolle Fremde, der Ayla schöne Augen macht, die Hand im Spiel haben könnte …

Katja Angenents Debütroman ist in der Welt des Rollenspiels Das Schwarze Auge (DSA) angesiedelt, aber – nicht zuletzt dank eines ausführlichen Glossars – auch ohne entsprechende Vorkenntnisse problemlos verständlich. Was als Krimi beginnt, entwickelt sich rasch zum locker wegzulesenden Fantasyabenteuer mit militärischer und politischer Dimension, in dem Action und Blutvergießen wahrlich nicht zu kurz kommen (übrigens nicht nur, was Menschen bzw. anthropomorphe Wesen betrifft – wer tierlieb ist und insbesondere Pferde mag, wird einige Male schlucken müssen).

Während gegen Ende des Buchs also kräftig die Fetzen fliegen, lebt die Anfangsphase über weite Strecken von Katja Angenents Talent dafür, eine unheimliche Atmosphäre heraufzubeschwören und Wetter und Landschaft geradezu zu Mitspielern zu machen, wenn ihre ungleichen Heldinnen zu rekonstruieren versuchen, was im Moor geschehen ist, und erst nach und nach erkennen, dass sie nicht nur einen Todesfall aufklären, sondern vielmehr eine veritable Katastrophe verhindern müssen.

Bis auf den schaurigen Prolog, der Anklänge an Annette von Droste-Hülshoffs Knaben im Moor nicht verleugnen kann, ist die Handlung in der dritten Person aus Aylas Sicht geschildert. Gelegentlich wünscht man der wackeren Soldatin etwas mehr gesundes Misstrauen (als Leserin oder Leser ahnt man jedenfalls schon eher als sie, dass manches zu schön ist, um wahr zu sein), aber alles in allem macht es Spaß, einmal eine Frau in der Rolle des abgehalfterten und Liebesabenteuern nicht abgeneigten Kämpfers in der Midlife-Crisis zu sehen.

Bedingt auch durch Aylas Perspektive bleibt Saliniome, die an etwas wie einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden scheint und ihre Zauberkräfte und ihre Lebenslust erst an Aylas Seite langsam wiederentdeckt, die rätselhaftere der Hauptfiguren. Beide eint jedoch, dass sie auf ihre Art jeweils Außenseiterinnen sind: Ayla sehnt sich nach ihrer südlichen Heimat, aus der es sie schon in ihrer Jugend in den unwirtlichen Norden verschlagen hat, Saliniome dagegen kann sich nicht völlig in die menschliche Kultur und Denkweise einfügen. Wie aus der Zufallsbekanntschaft der zwei eine Freundschaft und bald auch mehr wird, ist nett geschildert, und Anknüpfungspunkte für eine mögliche Fortsetzung um das Protagonistinnenduo sind vorhanden, so dass man durchaus hoffen kann, dass es nicht bei einem einzigen Roman um die beiden bleibt.

Was der Elfe vom Veitner Moor allerdings zu wünschen gewesen wäre, ist größere Gründlichkeit bei Lektorat und Korrektorat. Hier ist einiges versäumt worden, neben dem Verbessern von Flüchtigkeitsfehlern etwa auch das Ausmerzen kleiner Widersprüche (so wird z.B. der Kommandeur einer gegen Ende des Buchs ins Geschehen eingreifenden Truppe abwechselnd als „Hauptmann“ und als „Oberst“ bezeichnet) oder eine Vereinheitlichung in den Fällen, in denen ein Wort in mehreren Schreibweisen auftaucht („Schenke“ vs. „Schänke“). Zwar kann man notfalls darüber hinweglesen, aber dieser Feinschliff wäre dem ansonsten unterhaltsamen Buch eben doch zu gönnen gewesen.

Katja Angenent: Die Elfe vom Veitner Moor. Erkrath / Windeck, Rocket Books (Blitz Verlag), 2020, 324 Seiten.
ISBN: 978-3946502593


Genre: Roman