Ein römisches Wohnhaus mit Wandmalereien in Oftersheim

Im baden-württembergischen Oftersheim wurden in den 1960er Jahren Reste eines römischen Wohnhauses archäologisch untersucht, doch die Grabung erfasste nur einen Teil des Gebäudes, und die Funde gerieten im Museumsdepot in Mannheim über Jahrzehnte in Vergessenheit. Unterstützt von drei Mitautoren unternimmt es Mathilde Grünewald in ihrem Buch Ein römisches Wohnhaus mit Wandmalereien in Oftersheim, die damaligen Fundstücke und teilweise nur unzureichend dokumentierten Befunde zu analysieren.

Dass das Oftersheimer Wohnhaus Teil einer villa rustica, also eines landwirtschaftlich genutzten römischen Guts, war, kann zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit vermutet, aber bisher nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden, da die räumlich eng begrenzte Grabung keine Wirtschaftsgebäude freilegte. Daher steht nur fest, dass das recht repräsentativ ausgestattete Haus im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand und danach kontinuierlich genutzt wurde, bis es nach Mitte des 3. Jahrhunderts offenbar äußerst gründlich abgerissen und durch ein hölzernes Bauwerk ersetzt wurde. In diesem vermutet Grünewald keine Ansiedlung der um diese Zeit in die Gegend eingefallenen Alamannen, da keinerlei Funde auf ihre Präsenz vor Ort hindeuten, sondern eher eine vielleicht in den bewegten Zeiten nicht mehr vollendete Umnutzung des Geländes durch seine Besitzer.

Angesichts der so gründlichen Zerstörung der römerzeitlichen Bebauung ist es fast ein kleines Wunder, dass dennoch genug Überreste davon vorhanden geblieben sind, um nicht nur ein Hypokaustum und das Vorhandensein von Dachziegeln und Glasfenstern nachweisen zu können, sondern auch in der Lage zu sein, aus Fragmenten von Wandmalereien die jeweilige Gestaltung einer weißgrundigen und einer rotgrundigen Wand überzeugend rekonstruieren zu können. Rüdiger Gogräfe entwickelt in seinem diesem Thema gewidmeten Beitrag fast schon kriminalistischen Spürsinn, um durch Vergleiche mit besser erhaltenen Beispielen eine plausible Anordnung der Bruchstücke zu präsentieren. Die von Renate Berghaus künstlerisch umgesetzten Rekonstruktionen der beiden Wände sind zauberhaft und lassen einen sehr bedauern, dass beim Abriss des Oftersheimer Hauses allem Anschein nach so gründlich vorgegangen wurde, dass keine größeren Teile der Wandmalereien überdauert haben.

Neben Spuren des Bauwerks an sich wurden Reste seines Inventars und der Habseligkeiten der Bewohner entdeckt, darunter außer der allgegenwärtigen Keramik auch Münzen, eine zerschlagene Venusstatuette, eine unvollendete Schnitzarbeit, Werkzeuge und Schmuckstücke (von denen Sven Jäger die Fibeln – die meisten davon römischen, aber auch eine germanischen Ursprungs – in einem gesonderten Unterkapitel betrachtet). Ein letzter Abschnitt, der aus der Feder von Erwin Hahn stammt, befasst sich mit den gefundenen Tierknochen, von denen viele – vor allem von Rind, Schaf und Schwein – durch Hack- und Schnittspuren als Küchenabfälle ausgewiesen sind. Doch auch tierische Mitbewohner gab es in der villa von Oftersheim, ob nun nützliche und im Leben sicher auch geliebte wie Hunde und eine Katze oder eher unwillkommene wie eine Ratte.

Insgesamt vermittelt der anregende und detailfreudige Band den Eindruck, dass hier mit vielen Jahren Verspätung aus einer nicht optimal abgelaufenen Grabung nachträglich noch das Beste herausgeholt worden ist. Das römische Haus von Oftersheim ist gerade angesichts seines rätselhaften Endes eine hochinteressante Fundstätte, und so kann man nur bedauern, dass in Zeiten, in denen die Kapazitäten der Archäologie oft völlig von Notgrabungen erschöpft werden, mit einer Nachuntersuchung, die noch offene Fragen klären könnte, wohl so schnell nicht zu rechnen ist.

Mathilde Grünewald: Ein römisches Wohnhaus mit Wandmalereien in Oftersheim. Mit Beiträgen von Rüdiger Gogräfe, Erwin Hahn und Sven Jäger. Hrsg. von der Gemeinde Oftersheim und dem Heimat- und Kulturkreis e.V. Oftersheim. Regensburg, Schnell & Steiner, 2017, 144 Seiten.
ISBN: 978-3795432980


Genre: Geschichte, Kunst und Kultur