Redemption in Indigo

Schon vor Jahren hat die Meisterköchin Paama ihren Mann, den tölpelhaften Fresssack Ansige, verlassen. Als er unerwartet in ihrem Heimatdorf auftaucht, gilt es dennoch, den schönen Schein zu wahren. Das Maß an Pflichtgefühl und Takt, das sie in dieser unersprießlichen Lage unter Beweis stellt, bringt ihr die Aufmerksamkeit der djombi ein, brauchen doch diese Geisterwesen, die abstrakte Konzepte wie Geduld oder Beständigkeit verkörpern, dringend einen Menschen, der die magischen Kräfte des Chaos verwahren kann. Der dafür zuständige indigoblaue djombi ist aus Arroganz und Verachtung für die Menschen vom rechten Weg abgewichen, und da er versucht, seine Magie um jeden Preis zurückzugewinnen, nimmt das Unheil für Paama und ihre Familie bald seinen Lauf …
Die Autorin Karen Lord, die mit Redemption in Indigo ihr Debüt vorlegt, stammt von Barbados, hat sich aber von senegalesischen Märchen inspirieren lassen. Das zeigt sich nicht allein an der bunten und verzauberten Kulisse des Buchs, in der man in einer mehr oder minder modernen Welt mit Hotels, Bars und Überlandbussen durchaus damit rechnen sollte, einem Spinnentrickster über den Weg zu laufen oder den eigenen Körper an ein übernatürliches Wesen verleihen zu müssen, das kurzfristig eine Verkleidung braucht. Was den Roman vielmehr so ungewöhnlich und originell macht, ist seine Erzählweise, die den in Schreibratgebern immer wieder zu findenden Tipp show, don’t tell komplett auf den Kopf stellt. Anstelle einer eng an den Protagonisten orientierten Perspektive gibt es hier eine starke Erzählerfigur, die sich immer wieder direkt an die Leserschaft (oder – so die gegen Schluss durchscheinende Fiktion – an ein zuhörendes Publikum) wendet, die Charaktere und ihr Verhalten explizit bewertet und gern auch einmal Kritik an ihnen und an der Geschichte vorwegnimmt. Einzelne Szenen, in denen man sich wie bei den meisten zeitgenössischen Romanen der Illusion hingeben kann, direkt ein Geschehen zu beobachten, gibt es zwar durchaus, aber es dauert eigentlich nie lange, bis einem ins Gedächtnis gerufen wird, dass man es mit einem bewusst gestalteten Kunstprodukt zu tun hat, und ganze Passagen werden auch in einem scheinbar naiven, gelegentlich jedoch augenzwinkernden Märchentonfall präsentiert.
Über weite Strecken ist das durchaus unterhaltsam, gelegentlich sogar sehr witzig; Lord hat ein Talent für Situationskomik und schräge Einfälle, und die überbordende Kulisse bietet viele Ansatzpunkte für unerwartete Wendungen. Doch was vielversprechend beginnt, wird gegen Ende hin immer schwächer, denn letztlich ist Redemption in Indigo ein Buch, das zu viel auf einmal sein will – Märchennacherzählung, Fantasyroman, an Klamauk grenzende Komödie und dann doch wieder bitterernste Parabel, die selbst für Gestalten wie den erst als Witzfigur eingeführten Ansige ein sehr tragisches Schicksal bereithält.
Ob die Moral, die von der Erzählinstanz vertreten wird, dabei jedem behagt, darf getrost bezweifelt werden. Während die Einbindung des christlich anmutenden Gedankens, dass eine höhere Macht erst Mensch werden muss, um ihrer Bestimmung vollkommen gerecht zu werden, noch ganz interessant geglückt ist, fällt etwas zu deutlich auf, dass Paama eine Heldin ist, deren Stärke hauptsächlich in ihrer Leidensfähigkeit liegt. Zwar wird sie mit wechselndem Erfolg manchmal aktiv, um Unglücke zu verhindern, aber was sie in hohem Maße auszeichnet, ist ihre Unterwerfung unter die gesellschaftlichen Spielregeln, mögen sie auch noch so verderblich sein. Dass diese Haltung auf den letzten Metern durch eine Liebesgeschichte mit einem Mann, mit dem sie das ganze Buch hindurch kaum direkte Berührungspunkte hatte, belohnt wird, wirkt etwas zu aufgesetzt und künstlich.
Der Gesamteindruck bleibt nach der Lektüre deshalb durchwachsen, aber einen interessanten Ausflug in ein magisches Afrika bietet Karen Lord auf alle Fälle.

Karen Lord: Redemption in Indigo. London, Jo Fletcher Books 2012 (Original: 2010), 280 Seiten.
ISBN:9781780873084


Genre: Roman