Patricia A. McKillip ist seit Jahrzehnten für ihre poetische Fantasy bekannt, die sehr ruhig, aber mit Tiefgang von verzauberten Welten erzählt. In The Bards of Bone Plain widmet sie sich dem Motiv der Verknüpfung von Musik, Magie und Orten, das auch in ihrem vielleicht bekanntesten Werk, der Riddle-Master-Trilogie (dt. als Erdzauber erschienen), schon mit anklingt.
Der junge Phelan besucht seit Jahren die traditionsreiche Bardenschule, vor allem auf Wunsch seines Vaters Jonah, der dort einst scheiterte und sich mittlerweile nur noch für den Alkohol und die Archäologie zu interessieren scheint – ein Zustand, über den Phelan allenfalls die Beteiligung der ihm nicht unsympathischen Prinzessin Beatrice an den Grabungen hinwegtrösten kann. Um das ungeliebte Studium endlich hinter sich zu haben, fehlt ihm nur noch seine Abschlussarbeit, die er, um sich nicht zu sehr abzurackern, über ein sattsam abgehandeltes Thema zu schreiben gedenkt: Die titelgebende mystische Ebene, auf der Barden sich einst magischen Prüfungen stellten, während sie Phelans Zeitgenossen nur noch als spirituell aufgeladene Phantasievorstellung gilt. Doch je länger Phelan sich mit den historischen Hintergründen und vor allem mit der Gestalt des Barden Nairn befasst, der nach seinem Versagen angeblich zur Unsterblichkeit verflucht wurde, desto deutlicher wird ihm, dass manch alte Sage doch kein bloßes Hirngespinst ist – und dass die Verbindung zwischen den Mythen und seiner eigenen Familie enger ist, als er je geahnt hätte.
Diese Ausgangssituation nutzt McKillip für eine reizvoll gestaltete dreisträngige Erzählung: Neben den Erlebnissen Phelans und seines Umfelds in der Jetztzeit des Romans stehen Passagen aus seiner fiktiven wissenschaftlichen Arbeit, an die jeweils unmittelbar die Schilderung der wahren historischen Vorgänge um den Barden Nairn anschließt, der in einer ans Mittelalter angelehnten Epoche ein wildbewegtes Leben führt. Phelans Gegenwart dagegen zeichnet sich durch ein leicht edwardianisches Flair und Steampunk-Elemente (wie z.B. dampfbetriebene Autos) aus.
Zentraler als dieser äußerliche Fortschritt ist jedoch der Wandel der Mentalität hin zu einem wissenschaftlichen Weltbild, in dem Magie und Mystik nur noch als fiktive Würze alter Geschichten ihren Platz haben. Dass die Bardentradition zwar noch akademisch hochgehalten, aber gar nicht mehr in vollem Umfang verstanden wird, macht recht eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem historisch-antiquarischen Interesse an einer Praktik und ihrer gelebten Realität deutlich, der auch viele Geisteswissenschaftler in unserer Welt umtreiben dürfte. Ohnehin ist das akademische Umfeld kenntnisreich und mit viel Humor skizziert. Wer selbst einmal studiert hat, wird in der Mischung aus Lernstress, abendlichen Feiern, desillusionierten Examenskandidaten und idealistischen jüngeren Semestern schmunzelnd so einiges wiedererkennen, was sich auch an einer Universität im echten Leben abspielen könnte.
Nairns Zeit dagegen wirkt im wahrsten Sinne des Wortes „sagenhaft“ und weist einen stark keltischen Einschlag auf, der sich nicht nur auf die besonders geachtete Stellung der Barden beschränkt; von Ogham-ähnlichen Runen über Rätselgedichte bis hin zur Rolle der Anderswelt gibt es hier vieles, das aus Geschichte, Literatur und Mythologie vertraut ist. Obwohl hier, anders als bei den vordergründig friedlichen Ereignissen um Phelan, unter anderem ein Eroberungskrieg geschildert wird, bleibt die Erzählweise zurückhaltend und verzichtet auf auf grelle Effekte, um stattdessen über weite Strecken in einer fast lyrischen Sprache zu schwelgen.
Davon sollte man sich jedoch über eines nicht hinwegtäuschen lassen: Unter der bunten und häufig amüsanten Oberfläche mit ihren pointierten Dialogen und charmanten Details geht es um Leben und Tod, nicht unbedingt (nur) im Sinne des Bestehens von Gefahren, sondern weit eher in Form einer Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen menschlichen Daseins und der Rolle, die Kunst und Kultur bei seiner Bewältigung spielen können. So erhält man unterschwellig viele Denkanstöße, während die Handlung sich in beiden Zeitebenen des Romans auf einen Sängerwettstreit zur Ermittlung des neuen königlichen Barden zubewegt, allerdings mit sehr unterschiedlichem Ausgang, der auch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf Phelans Abschlussarbeit hat.
Obwohl dieses Ende durchaus befriedigend und in mancherlei Hinsicht versöhnlich ist, bleibt man danach mit dem Eindruck zurück, hier eigentlich nicht primär einen Roman gelesen zu haben, der über seinen Plot wirkt, sondern vor allem ein sprachliches Kunstwerk, das es durchaus verdient hat, ins Lieblingsbuchregal zu wandern und künftig noch oft zur Hand genommen zu werden, damit man die ein oder andere Stelle noch einmal genießen kann. Denn vergessen wird man die Bards of Bone Plain und ihre musikalischen Abenteuer so schnell nicht.
Patricia A. McKillip: The Bards of Bone Plain. New York, Ace (Penguin), 2011 (besprochene Ausgabe; Original 2010), 329 Seiten.
ISBN: 978-1937007232