Unser Hof in der Bretagne

Die Autorin Regine und der Informatiker Anton führen in Berlin ein im landläufigen Sinne erfolgreiches Leben – beide reüssieren im Beruf, eine schöne Wohnung und ein netter Bekanntenkreis sind ebenfalls vorhanden. Doch Arbeitsstress, Zeitmangel und ständiger Konsumdruck machen auf die Dauer nicht glücklich, so dass das Paar radikal die Konsequenzen zieht und in einem Wohnmobil quer durch Europa aufbricht, um einen Ort zu suchen, an dem ein sinnvolleres, natürlicheres Dasein möglich ist. Fündig werden die beiden in der Bretagne, wo sie in einem winzigen Dorf mit einstelliger Einwohnerzahl ein altes Haus kaufen und ohne viel Erfahrung, aber mit großer Begeisterung in eine Selbstversorgerexistenz starten …
Unser Hof in der Bretagne ist ein vergnüglich zu lesender, leichtfüßiger Erfahrungsbericht, der, mit einer Reihe instagramtauglicher Fotos aufgepeppt, seine Leserinnen und Leser nie überfordert, sondern auf sehr zugängliche und persönliche Art Themen anschneidet, die heutzutage zahlreiche Menschen bewegen. Die Unzufriedenheit mit einem immer naturferneren und in vielerlei Hinsicht fremdbestimmten Alltag dürfte gerade in Großstädten vielen vertraut sein, auch wenn nur die wenigsten tatsächlich den Schritt gehen, einschneidende Veränderungen zu wagen. Gerade zu diesen möchte Regine Rompa aber ermutigen. Am Beispiel ihrer Erlebnisse zeigt sie auf, dass zum Ausstieg aus dem Hamsterrad viel weniger nötig ist, als man oft annimmt, und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen oft unvermutete Freiräume eröffnet.
Auch Schwierigkeiten werden allerdings nicht verschwiegen: So erweist es sich z.B. als einfacher, auf dem eigenen Land ein Wildtierschutzgebiet einzurichten, als in Frankreich ein Konto zu eröffnen oder in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden, und der erste Versuch, Gemüse anzupflanzen, scheitert an einer allzu optimistischen Einschätzung der Frühjahrstemperaturen. Die Grundhaltung bleibt jedoch durchgehend positiv, auch in der liebe- und humorvollen Schilderung von Menschen und Tieren, mit denen die Autorin es zu tun hat. Neben Anrührendem und Sympathischem beschreibt sie auch reichlich Skurriles, das den Unterhaltungswert der Lektüre deutlich steigert: Von einem Rasenmäher als Rollatorersatz über einen leibhaftigen Obelix auf der Suche nach einer heiratswilligen reichen Dame bis hin zu dem spontan gefassten Plan, im Namen der Menschenrechte den niederländischen König zu stürzen, begegnet einem hier so einiges, das zum Schmunzeln reizt.
Bei aller Heiterkeit, die immer wieder aufkommt, bleibt Unser Hof in der Bretagne jedoch auch und vor allem ein Denkanstoß hinsichtlch der Frage, ob unschöne Phänomene wie Massentierhaltung, soziale Kälte und die Gier nach ständigen spektakulären Erlebnissen, die oft genug den Blick auf die kleinen Besonderheiten am Wegesrand verstellt, wirklich unumgänglich sind oder ob es nicht doch Auswege aus den Schattenseiten der Moderne gibt. Die Lösung, die Regine Rompa und ihr Partner für sich gefunden haben, wird sicher manchem zu weit gehen, doch als Anregung zum Überprüfen eigener eingefahrener Überzeugungen und Gewohnheiten taugt sie allemal.

Regine Rompa: Unser Hof in der Bretagne. Neuanfang zwischen Beeten, Bienen und Bretonen. Hamburg, Rowohlt, 2019, 256 Seiten.
ISBN: 978-3499634260


Genre: Sachbuch allgemein