Vitamin V wie Wohnung

Ein leichtsinniger Jugendlicher löst mit einem Feuerwerkskörper eine Explosion aus und sorgt so dafür, dass die junge Übersetzerin Nora und ihr kleiner Sohn Colin von einer Minute zur anderen ohne Wohnung dastehen. Kurz entschlossen lässt ihr Bekannter Eggert sie ins Haus seiner Freunde Bruno und Rea ziehen, die gerade im Urlaub sind und sich bei ihrer Rückkehr mit der neuen Situation erst einmal schwertun. Die Zwangswohngemeinschaft auf Zeit steuert von einer Katastrophe in die nächste, doch auch sonst hat Nora es nicht leicht: Der angespannte Hamburger Wohnungsmarkt hat auf eine alleinerziehende Freiberuflerin nicht gewartet, Probleme mit ihrem Internetanbieter bringen sie um einen wichtigen Auftrag, eine schrille Bekannte nutzt sie gern ohne Vorwarnung als Babysitterin aus, und privat stürzt auf einmal viel zu viel auf sie ein. Denn außer dem weltläufigen und charmanten Eggert entwickelt plötzlich auch der idealistische Gemüsehändler Thies mehr als nur freundschaftliche Gefühle für sie, während ein absolut ungewollter dritter Verehrer zur echten Gefahr zu werden droht …
Katja Heimanns Debüt ist ein warmherziger Unterhaltungsroman, der sich leicht und locker wegliest und gekonnt die Balance zwischen Hamburger Sommeridyll und kleinen wie größeren Alltagsdramen wahrt. Heimann hat dabei vor allem ein Händchen für die oft bis zum Slapstick gesteigerte Situationskomik von Chaos und Pannen, ganz gleich, ob es um Kinderstreiche, Handwerkerungeschick, Haushaltsunfälle oder das Festhängen in einer alles andere als hilfreichen Telefonhotline geht. Es ist besonders der Wiedererkennungseffekt des selbst schon Erlebten, der einen hier oft zum Lachen bringt, doch gerade für Hamburger dürfte er auch bei den beschriebenen Orten und Unternehmungen zum Tragen kommen (Bonuspunkte hat die Autorin übrigens eindeutig dafür verdient, dass selbst der geschilderte Weg durch den Wildpark Schwarze Berge eine realistische Reihenfolge einhält und sogar das Eis an der richtigen Stelle gekauft wird).
In erster Linie lebt der Roman aber von seinen liebevoll gezeichneten und oft auch sympathischen Figuren, die durch einen interessanten erzählerischen Kniff aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet werden: Die Heldin Nora fungiert über weite Strecken als Ich-Erzählerin, doch immer wieder kommen in der dritten Person auch die Perspektiven anderer zu ihrem Recht. So erhält man nicht nur Einblick in die Gedanken von Eggert und Thies, sondern auch in die des gutmütigen Bruno, der in Colin schnell eine Art Enkelersatz ausmacht, oder in die der schwierigen Rea, die es eigentlich nicht böse meint, aber andauernd zu viel von ihrem Umfeld erwartet und sich so manchmal selbst unglücklich macht.
Allzu arg kommt es allerdings nicht, denn rettender Humor schwingt eigentlich stets im Hintergrund mit, und darüber hinaus beschwört Heimann auch immer wieder greifbar tröstliche Alltagsfreuden herauf, ob nun Musik, Treppenhüpfen oder eine ganz besondere Sorte Tomaten, die es wohl nicht ohne Grund auf das von Katharina Netolitzky hübsch gestaltet Titelbild geschafft hat.
Um ein bisschen Sommerstimmung in den derzeit so trüben Winter zu holen und sich heitere und gefällige Lektüre zu gönnen, ist Vitamin V wie Wohnung also bestens geeignet. Entspannter Lesespaß ist garantiert!

Katja Heimann: Vitamin V wie Wohnung. Hamburg, tredition, 332 Seiten.
ISBN: 9783743969605


Genre: Roman