Von Fabelwesen und Königen

Bauernsohn Aramil hat keinen leichten Start ins Leben: Von den eigenen Eltern nicht übermäßig geliebt und gefördert, wird er früh in den Militärdienst in einem blutigen Bruderkrieg gepresst. Immerhin entdeckt er so als Trommler seine musikalische Begabung, und als er dem Gemetzel entkommen ist, erhält er mehrfach von unerwarteter Seite Hilfe dabei, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Doch das Dasein eines Barden, auf das er nach einer Weile hinzuarbeiten beschließt, ist strengen Regeln unterworfen und wahrlich kein Zuckerschlecken. Kann Aramil bei aller Liebe zu Gesang und Lautenspiel so wirklich den Weg zum Glück finden?

Sarah Malhus’ Debütroman Von Fabelwesen und Königen fällt in den Bereich der progressiven Phantastik: So spielen gleichgeschlechtliche Liebe, Beziehungen mit mehr als zwei Partnern und gelegentlich auch der Wunsch nach Rebellion gegen eine ungerechte Obrigkeit oder wenigstens politischen Reformen eine Rolle. Zugleich ist die Handlung aber in einer recht klassischen Kulisse angesiedelt, die atmosphärisch irgendwo zwischen Rollenspiel-Setting, europäischer Märchen- und Sagenwelt, in der selbst ein König nur ein besserer Gutsherr ist, und Mittelaltermarkt liegt. Wer eine konservative Moral leid ist, aber doch ein nostalgisches Lesegefühl mit vielen vertrauten Elementen nicht missen möchte, findet hier also eine auf seine Vorlieben zugeschnittene Mischung.

Ich-Erzähler Aramil, der – so die Rahmenhandlung – seine Lebensgeschichte episodenhaft einer Runde von Fremden am Lagerfeuer schildert, macht seinem Publikum dabei den Einstieg leicht, da er in seiner jugendlichen Naivität zunächst selbst noch einiges an Wissen über Musik, Mythologie und Fabelwesen sammeln muss. Bald aber gehen auf seinen Streifzügen durch das zerrissene Königreich Baldern diese Lehrjahre in handfeste Abenteuer über. Er begegnet nicht nur einem geheimnisvollen Müller und einem Esel mit Charakter, sondern auch einer Sirene, einem Brückentroll, Banditen, ruppigen Seeleuten, mehreren Königen und einem leibhaftigen Drachen und findet einen Mann und eine Frau, die er beide gleichermaßen lieben lernt.

Die bereits im Titel erwähnten Fabelwesen sind dank ihrer lebendigen Schilderung eine der größten Stärken des Buchs, ganz gleich, ob nun ein finsterer Nachtalb oder eine gut getarnte Trollfrau auftritt, und die Geschichte von Müller, Nöck und Mühlenkobold würde etwas länger ausgearbeitet wohl allein schon dazu taugen, einen ganzen Roman oder doch zumindest eine Novelle zu tragen.

Merklichen Spaß hat Sarah Malhus daran, die Lieder, die Aramil singt, ausführlich in Gedichtform zu präsentieren. Ohnehin spielt sie gern ein bisschen mit dem Text, wenn sich etwa in bestimmten Formulierungen schon Vorausdeutungen verstecken (wie in den Äußerungen des Ritters Berolt, bevor er später seine ganze Lebensgeschichte erzählt), Kartoffeln unter allen möglichen verschiedenen Bezeichnungen auftauchen oder am Ende Rahmen- und Binnenhandlung zusammengeführt werden.

Lektorat und Korrektorat hätten stellenweise gründlicher arbeiten können, da hier und da etwas holprige Grammatik stehen geblieben ist1, aber da das nicht zu häufig vorkommt, kann man mit gutem Willen darüber hinweglesen. Durchgehend gelungen dagegen ist die Ausstattung des Buchs mit liebevoll gestalteter Landkarte, schönem Buchsatz, kleinen Illustrationen jeweils am Kapitelende und niedlichem Esel-Daumenkino. Äußerlich nett aufgemacht ist Von Fabelwesen und Königen also auf jeden Fall, und wer leichte, lockere Fantasy sucht, findet in dem Roman auch eine entspannende und unterhaltsame Lektüre.

Sarah Malhus: Von Fabelwesen und Königen. Aus dem Leben eines Barden. Fellbach 2023, 396 Seiten.
Ohne ISBN (Crowdfunding-Taschenbuch-Ausgabe; auch als E-Book erhältlich)

  1. Beispielsweise würdig mit Dativ statt mit Genitiv; Mir verlangt es nach statt Mich verlangt es nach; uneinheitliche Deklination, den Alb aber keinen Nachtalben; Klientel wird nicht als Femininum gebraucht.

 


Genre: Roman