Astrid Fritz legt mit Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam eine im Straßburg der Reformationszeit angesiedelte Erzählung vor, die aber weniger darauf abzielt, eine konkrete historische Situation einzufangen, sondern eher eine ebenso gefällige wie zeitlose Weihnachtsgeschichte in stimmungsvoller Kulisse bietet.
Der jugendliche Gauner Jakob muss nach einem Zusammenstoß mit seinem Bandenchef überstürzt aus Freiburg fliehen und gelangt völlig mittellos ins winterliche Straßburg. Ein Einbruch soll ihn über die Runden retten, doch für diese Verzweiflungstat (die in ihrer Ausführung noch dazu wenig kriminelles Genie verrät) sucht er sich ausgerechnet die bescheidene Bleibe der Schneiderfamilie Gutlin aus, mit der es das Schicksal in letzter Zeit auch nicht unbedingt gut gemeint hat. So regt sich bald sein schlechtes Gewissen, zumal er bei der ältesten Tochter Johanna, die es angesichts ihrer geltungssüchtigen Mutter nicht leicht im Leben hat, unerwartet viel Verständnis findet. Der Fall schreit also nach Wiedergutmachung – und die führt auf Umwegen geradewegs zur Erfindung des Weihnachtsbaums …
Natürlich ist diese spezielle Entwicklung – wie die Autorin selbst in ihrem kleinen, aber informativen Nachwort zur Geschichte des Weihnachtsbaums ausführt – alles andere als historisch belegt. Doch das macht einem wenig aus, da die Erlebnisse der sympathischen Hauptfiguren ohnehin Mitmenschlichkeit, die Suche nach Wärme und Erfüllung sowie die Notwendigkeit, eingefahrene Handlungsmuster zu überdenken und auch einmal über den eigenen Schatten zu springen, in den Mittelpunkt stellen, Themen also, die nicht an eine spezifische Epoche geknüpft sind und auch ohne die gleichwohl amüsant in Szene gesetzte Weihnachtsbaumerfindung als Aufhänger ausgekommen wären. Manches, vor allem die sehr glatte Lösung aller Probleme gegen Ende, mag dabei fast ein wenig sentimental wirken, aber wenn man ehrlich mit sich ist, muss man doch zugeben, dass Weihnachten eigentlich die schönste Ausrede bietet, in positiven Gefühlen zu schwelgen und zumindest für kurze Zeit daran zu glauben, dass auch in den ärgsten Schwierigkeiten noch eine Wendung zum Besseren möglich ist, wenn alle Seiten ein gewisses Bemühen an den Tag legen.
Die liebevollen Illustrationen von Andrea Offermann lockern die Geschichte auf und passen in ihrer Art recht gut zum Tenor des Buchs: Es sind keine um historische Exaktheit bemühten Rekonstruktionen (auch wenn Straßburg recht nett in den Gebäudedarstellungen wiederzuerkennen ist), sondern charmante und warmherzige Bilder, die einen in wohlige Festtagslaune versetzen und das Vergnügen an der Lektüre ideal ergänzen.
Wer auf die letzte Minute noch ein kleines Weihnachtsgeschenk sucht, der kann mit Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam eigentlich nicht viel falsch machen.
Astrid Fritz: Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam. Rowohlt, 2013, 126 Seiten.
ISBN: 978-3499267185