Ein letzter Mittwochslesestoff: Birnen

Ein letztes Mal gibt es diese Woche einen Lesestoff-Beitrag, bevor ich mich im Blog wieder ganz aufs Rezensieren konzentriere. Zum Abschluss ist es noch einmal ein bisher unveröffentlichter kleiner Text, der an Tricontium anknüpft.

Birnen

Die Obstbäume im Garten der Richterin trugen in diesem Jahr viele Früchte.

Ardeija betrachtete die Birnen, die Wulf mit unendlicher Sorgfalt in einer Kiste aufreihte, als sei jede einzelne seiner vollen Aufmerksamkeit würdig.

„Ich werde nie vergessen, wie du mich damals aus Fürst Bernwards Birnbaum gescheucht hast“, bemerkte er und klang anklagender, als er es wollte.

Wulf pflückte die nächste Birne, ohne sich auch nur umzusehen, um sich zu vergewissern, dass Ardeija Gjuki weiterhin gut festhielt, damit der kleine Drache sich nicht hemmungslos über die reiche Ernte hermachen konnte. „Mittlerweile weißt du aber doch hoffentlich, warum?“

Er wandte sich wieder der Kiste zu.

Ardeija zuckte die Schultern. „Du hast immer geglaubt, dass ich zu leichtsinnig bin.“

Endlich schaute Wulf auf, und die milde Nachsicht in seinem Blick war schwerer zu ertragen, als offener Spott es gewesen wäre. „In dem Fall wusste ich, dass du es warst. Der Birnbaum war morsch. Am Tag vorher war schon ein größerer Ast heruntergekommen, und um den, auf dem du es dir bequem gemacht hattest, war es nicht viel besser bestellt.“

„Oh“, sagte Ardeija, und die Welt seiner Kindheitserinnerungen verschob sich ein Stück, während Gjuki endlich zu zappeln aufhörte und ihm stattdessen vertraulich den Schwanz ums Handgelenk schlang.

Wulf widmete sich wieder seinen Birnen. „Und du warst ein sehr liebenswertes Kind. Ich wollte nicht, dass du dir den Hals brichst, und will es heute noch nicht.“

„Da bin ich geschmeichelt“, gab Ardeija zurück und fragte sich, ob er es angesichts dieses Wohlwollens wohl wagen durfte, eine Birne zu stibitzen.