Werbung für ein ungewöhnliches Lesevergnügen: Juliana Sochers Literaturhappen

Kurzgeschichten führen leider im Vergleich zu Romanen immer noch ein Schattendasein in der Gunst des Lesepublikums, und wenn sie veröffentlicht werden, müssen sie sich das Scheinwerferlicht oft mit anderen Texten teilen: Entweder als Ergänzung zu einem längeren Buch (wie im Falle der inzwischen allgegenwärtigen „Bonusgeschichten“ zu Romanserien) oder als Bestandteil von Anthologien und Zeitschriften läuft die einzelne Kurzgeschichte Gefahr, unterzugehen oder rasch wieder vergessen zu sein.

Einen ganz anderen Weg schlägt daher Juliana Socher mit ihren Kurzgeschichten, für die ich hier einmal ein wenig unverlangte Werbung machen muss: Als Abonnement sind sie in Form clever gestalteter Faltheftchen einmal im Monat erhältlich und bieten einen ganz besonderen Blick auf die Welt, manchmal einem Hauch Magie und viel liebevollem Verständnis für die Menschen, vor allem aber eben immer nur eine Geschichte auf einmal, der man seine gesamte Aufmerksamkeit schenken kann.

Foto: Auf einer Wolldecke mit breiten gelben und schmalen weißen Streifen liegen schräg übereinandergestapelt drei kleine, nummerierte Leseheftchen der Autorin Juliana Socher aus ihrer Reihe "Literaturhappen". Das oberste mit der Nr. 6 und dem Titel "Heiko, ich liebe dich" hat ein gezeichnetes Cover, auf dem zwei Männer (der vordere mit längeren braunen Haaren, der hintere mit helleren Haaren und rotem Helm) auf einer fliegenden Schwalbe reitend über einem wolkenumwallten Waldgebiet schweben. Der hintere Mann macht mit der rechten Hand ein Victory-Zeichen.

Einen Sammelband der Geschichten gibt es (bisher) nicht, aber vielleicht ist es gerade die Flüchtigkeit der zur Monatsmitte per Brief zugestellten Literatur, die jeden einzelnen der „Happen“ zu etwas Außergewöhnlichem macht und ihn lange nachhallen lässt. Das scheinbar Kleine, Vergängliche und oft auch an den Rand Gedrängte, das immer wieder das Thema der Autorin ist, erhält so eine äußere Gestalt, die zu den sprachlich schön und mit viel Einfühlungsvermögen erzählten Inhalten passt.

Hat man bisweilen das Gefühl, dass die Handlung, von Kindheitserinnerungen bis hin zu Reiseerfahrungen, sehr nahe am (Er-)Leben der Verfasserin liegt und nicht nur einmal auch in ihrer sächsischen Heimat angesiedelt ist, drängt daneben immer wieder das Zeit und Ort transzendierende Poetische und Fabulierfreudige mit hinein, das den personifizierten Nachtfrost den Sternen entgegenschweben oder einen unerwarteten Spuk an der Bahnstrecke auftauchen lässt. Gerade in den vermeintlichen Nebensächlichkeiten des Alltags liegt also immer auch ein Zauber, ob es nun der zarter Menschlichkeit oder ein übernatürlicher ist.

Gerahmt werden die reizvollen Miniaturerzählungen jedes Mal von einem passenden Bild (ob nun Fotografie, Illustration oder eine Kombination aus beidem) und von einer kleinen Überraschung, die auf der Rückseite des Falthefts wartet und bildlicher oder textlicher Natur sein kann – belustigend, herzerwärmend, zum Nachdenken mahnend oder alles auf einmal. Eine Anregung zu eigener Weltbeobachtung und -beschreibung liegt zusätzlich im Visitenkartenformat bei.

Gerade in einer Zeit, in der eine weitverbreitete unreflektierte Begeisterung für KI und Künstliches zu einer zunehmenden Verflachung von Literatur und Bilddarstellungen zu führen droht, ist diese wirklich künstlerische Herangehensweise, die bewusst etwas Unwiederholtes und Originelles bietet, wertvoller denn je, und es ist nur zu empfehlen, sich in den Reigen aus Hummeln und Freundschaft, Vergangenheit und Gegenwart, Realismus und Phantasie zu wagen.

4 Gedanken zu „Werbung für ein ungewöhnliches Lesevergnügen: Juliana Sochers Literaturhappen

  1. Tina

    Da auch ich zu den Glücklichen gehöre, der jeden Monat ein Literaturhappen ins Haus flattert, freue ich mich über den Beitrag und kann alles Gesagte darüber nur unterstreichen. Was für eine tolle Idee hatte da unsere Jule! Ich bin stolz auf mein Patenkind.

  2. Juliana

    Liebe Maike, ich kann dir gar nicht genug danken für deine lieben und wie immer so feinsinnigen, warmherzigen Worte! Du hast auch so präzise das auf den Punkt gebracht, was mir das Herzensanliegen des Happen ist: der ungewohnte, flüchtige, kurzweilige Ausflug nach… ja, egal wohin, hauptsache ein ganz kleines bisschen magisch. Ich freue mich sehr, dass du so eine Freude am Happen hast.

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