Wieder wird bei Kerstin Herbert diese Woche ein Zufallsbuch gesucht, aber diesmal unter Beteiligung Dritter:
Bildet einen Stapel mit Euren Herzensbüchern und lasst Euren Lieblingsmenschen eines davon aussuchen.
Gesagt, getan. Ausgewählt worden ist ein Buch, das ich auf Ardeija.de schon einmal besprochen habe.
Norbert Ohler: Reisen im Mittelalter. München, DTV, 4. Auflage 1995 (Original: 1986), 456 Seiten. ISBN: 3760819133
1. Worum geht es in dem Buch?
Wie der Titel schon verrät, handelt es sich um eine Überblicksdarstellung zu Reisen im Mittelalter. Während im ersten Teil des Buchs allgemein auf die Bedingungen eingegangen wird, unter denen Reisen im Mittelalter stattfanden, ist der zweite Teil eine sehr quellennah gearbeitete Darstellung verschiedener mehr oder minder bekannter Reisen. Mehr über den Inhalt auch in der ausführlichen Rezension, die hier zu finden ist.
2. Wie oft hast du das Buch bereits gelesen? Und wann zuletzt?
Komplett habe ich das Buch irgendwann in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gelesen, seitdem immer wieder einzelne Kapitel. Den letzten Blick habe ich gestern Abend hineingeworfen (um etwas zum Thema Reisegeschwindigkeiten nachzuschlagen).
3. Warum ist es ein Herzensbuch?
Das Mittelalter zählt zu meinen Lieblingsepochen, das war auch schon vor meinem Studium so. Auch eine Schwäche für Alltagsgeschichte habe ich schon ziemlich lange; wie das normale Leben in der Vergangenheit funktioniert hat, ist für mich oft noch interessanter als die Ereignisgeschichte (und die ist schon spannend genug). Ein Buch über mittelalterliche Alltagsgeschichte ist also an und für sich schon einmal etwas für mich, aber Norbert Ohler bereitet sein Thema noch dazu besonders gut auf, allgemeinverständlich, aber nie anspruchslos und mit viel unterschwelligem Humor. Zudem sind die auszugsweise zitierten Quellen teilweise besser als jeder Abenteuerroman (unter anderem liest man hier über einen Geistlichen in wechselnden Verkleidungen, eine wilde, aber letztlich erfolgreiche Flucht aus der Sklaverei und über einen Künstler, der akribisch seine Reiseausgaben bis hin zu im Glücksspiel verlorenen Beträgen notiert). Vor allem aber ist dies ein Buch, das bis heute stark in mein eigenes Schreiben einfließt, teilweise zu nüchternen Recherchezwecken (wie schnell können die Figuren wohl die und die Strecke zurücklegen?), teilweise aber auch, weil Einzelheiten daraus herrlich die Phantasie anregen.
4. Wie lautet den Lieblingszitat aus dem Buch?
Da fällt die Entscheidung schwer, aber ich nehme eine Stelle, die mich immer wieder zum Schmunzeln bringt:
„Wenn ein talentierter, ehrgeiziger Kleriker sich als Wallfahrerin verkleidet, wenn ein Erzbischof den Respekt einfacher Leute vor Reliquien mißbraucht, wenn ein Abaelard die von ihm geschwängerte Heloise als Nonne verkleidet in seine bretonische Heimat bringt, ist jedem Pilger, jeder Nonne, jedem Reisenden gegenüber Mißtrauen geboten.“
5. Warum hat sich dein Lieblingsmensch genau für dieses Buch entschieden?
Wie wahrscheinlich alle Leseratten habe ich ziemlich viele Bücher, die mir gefallen, aber welche mir gerade am meisten Spaß machen, wechselt häufig. Die Reisen im Mittelalter allerdings haben es geschafft, konstant seit etwa zwanzig Jahren zu den Büchern zu gehören, die ich immer wieder zur Hand nehme – dadurch hatten sie dann den höchsten Wiedererkennungswert in der getroffenen Vorauswahl.