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Die Söhne des Mars. Eine Geschichte des Krieges von der Steinzeit bis zum Ende der Antike

Militärhistorische Werke gibt es in Hülle und Fülle, auch und gerade über die Antike. Armin Eichs flüssig lesbare Darstellung Die Söhne des Mars hebt sich jedoch durch ihren Ansatz von der Masse dieser Publikationen ab. Zwar erfährt man auch hier viel über die Entwicklung von Waffen, Festungsarchitektur und Kampftechniken, doch der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der sozialen Dimension des Phänomens Krieg und auf der Frage, ob dieses wirklich so selbstverständlich und unvermeidlich ist, wie es ganzen Gesellschaften mittlerweile seit Jahrtausenden erscheint.
Dieser Annahme widerspricht Eich entschieden und spart auch nicht mit Kritik an der etwa von Steven Pinker vertretenen These, die Welt sei im Laufe der Geschichte immer friedlicher geworden, so dass Krieg und Kampf geradezu als natürlicher Urzustand der Menschheit zu betrachten seien.
Dieser Forschungsmeinung stellt Eich seine eigene Überzeugung entgegen, dass das menschliche Anlagenspektrum zwar sowohl die Möglichkeit zur Friedfertigkeit als auch die zur Gewalttätigkeit umfasst, es aber in hohem Maße eine Frage der Sozialisation ist, inwieweit beides zum Tragen kommt und als normaler Teil des Verhaltensrepertoires betrachtet wird. Indem er die Ideale und Erziehungsgewohnheiten moderner kriegloser Völker mit denen ähnlich als Jäger und Sammler oder durch einfachen Gartenbau wirtschaftender, aber kriegerisch orientierter Gruppen vergleicht, zeigt er auf, dass es zwar auch in friedliebenden Gesellschaften in unterschiedlichem Maße zu individueller Gewalt kommen kann, die kollektive Gewaltanwendung, die für Kriege charakteristisch ist, jedoch geradezu eine „Abrichtung (…) für den Krieg“ erfordert. Sobald der Schritt zu einer kriegerischen Gesellschaft allerdings einmal vollzogen und eine Kriegerelite geschaffen ist, die ein Interesse an ihrem eigenen Fortbestand hat, ist die Rückkehr zu friedlichen Verhältnissen schwierig bis unmöglich.
Ausgehend von dieser Prämisse entwirft Eich das Bild einer Steinzeit, die zwar durchaus Gewalt bis hin zum Massenmord kannte, aber wohl überwiegend ohne bewaffnete Konflikte auskam, während sich erst ab der Bronzezeit Kriege eindeutig belegen lassen (z.B. durch die neueren Funde aus dem Tollensetal). Den Zusammenbruch der bronzezeitlichen Zivilisation sieht er im Gegensatz zu Teilen der modernen Forschung, die ein multikausales Modell bevorzugen, primär als Resultat eines Wettrüstens und des Heranbildens einer Kriegerschicht, deren Eigendynamik irgendwann der Kontrolle durch staatliche Strukturen entwuchs, die so den Geistern, die sie riefen, zum Opfer fielen.
Dass diese Katastrophe keinen Lerneffekt hatte, belegt die Entwicklung in Eisenzeit und Antike: Ständige große und kleine Kriege wurden nicht nur als Normalität akzeptiert, sondern vielmehr glorifiziert und untrennbar mit einem stark auf kämpferische Tugenden abgestellten Männlichkeitsideal verbunden. Als düstere Ironie der Geschichte hebt der Autor dabei hervor, dass die Schattenseiten dieser Lebensweise (wie etwa die Traumatisierung von Kombattanten) nicht nur beobachtet wurden, sondern – wie er unter Berufung auf den Psychiater Jonathan Shay herausarbeitet – sogar in einem für die Überhöhung des Kriegs in der Antike so zentralen Text wie Homers Ilias geschildert werden, deren Untertöne man also vielleicht gar missverstand. Auch Friedenschancen, die sich aufgrund der militärischen Dominanz eines einzigen Staatsgebildes (wie etwa des Alexanderreichs oder Roms in der Endphase der Republik) zumindest theoretisch boten, wurden regelmäßig vergeben und der Austragung innerer Konflikte geopfert, so dass die neuerliche Katastrophe der Spätantike wohl ebenso wenig zu umgehen war wie der Neubeginn einer Gewaltspirale, die sich vom Mittelalter bis in die heutige Zeit zieht.
Als hoffnungsvoll betrachtet Eich jedoch, dass kriegerische Aktivitäten seiner Einschätzung nach menschheitsgeschichtlich gesehen erst relativ spät einsetzten und somit eine Welt ohne Krieg als Möglichkeit durchaus vorstellbar ist. Als wie friedlich man die Frühzeit des Menschen tatsächlich betrachtet, schwankt aber natürlich je nach Interpretation der verfügbaren archäologischen Funde, die – wie der Autor selbst einräumt – oft unterschiedliche Deutungen zulassen. Obwohl also gerade am Ausgangspunkt spekulative Elemente bleiben, kann man den Denkanstoß, die scheinbare Naturnotwendigkeit massenhafter Gewalt zu hinterfragen, nicht hoch genug einschätzen.

Armin Eich: Die Söhne des Mars. Eine Geschichte des Krieges von der Steinzeit bis zum Ende der Antike. München, C.H. Beck, 2015, 281 Seiten.
ISBN: 978-3406682292


Genre: Geschichte

Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium

Die Legionen und das Imperium – mit diesem Untertitel versieht Armin Eich seine Geschichte der römischen Kaiserzeit vom Prinzipat des Augustus bis zur Reichskrise des 3. Jahrhunderts und benennt damit das in seinen Augen Prägende der Epoche: Damit ein einzelner Mensch die Macht im zuvor oligarchisch-republikanisch geprägten römischen Staat behaupten konnte, war er zwingend auf die Unterstützung des Militärs angewiesen. Da die Stellung des „Kaisers“ (ein Begriff, den Eich in diesem Kontext als Anachronismus entlarvt) nie eine formalrechtliche Absicherung erfuhr, sondern wenigstens in der Theorie immer irregulär und durch fiktive Notstände gerechtfertigt blieb, konnten sich weder eine von der militärischen Tüchtigkeit unabhängige Machtlegitimation noch eine rein dynastische Nachfolgeregelung entwickeln. Infolgedessen behielten die Soldaten, insbesondere auch die Prätorianer als Eliteeinheit, über Jahrhunderte hinweg ihre Rolle als Kaisermacher. Sich die Legionen durch finanzielle Zuwendungen, durch die Selbststilisierung zum erfolgreichen Feldherrn und nicht zuletzt auch durch Beschäftigung und Beute verheißende Eroberungskriege gewogen zu halten, war daher für so gut wie alle römischen Kaisern unverzichtbar.
Dieses Fundament der Herrschaft stellte jedoch zugleich ihre größte Gefährdung dar, und das nicht etwa nur, weil ein Kaiser, der die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte, sich sehr schnell durch einen den Truppen genehmeren Usurpator verdrängt finden konnte. Vielmehr waren der Unterhalt der für antike Verhältnisse riesigen Berufsarmee und vor allem die zahlreichen kostspieligen Feldzüge ein Verlustgeschäft. Wie ein roter Faden ziehen sich daher die aus überhöhten Militärausgaben resultierenden Finanzprobleme durch Eichs Darstellung, die dank ihrer Synthese von biographischen Skizzen der einzelnen Kaiser mit zeitübergreifend thematisch ausgerichteten Abschnitten die Ereignisgeschichte gut in ihren gesellschaftlichen und kulturellen Kontext einbettet.
Deutlich wird dabei vor allem, dass selbst relative Friedensphasen unter um Konsolidierung bemühten Kaisern (wie etwa Antoninus Pius) nur sehr bedingt als „goldenes Zeitalter“ gelten können, da gravierende soziale Probleme regelmäßig ungelöst blieben und neben den ohnehin entrechteten und Willkürakten ausgesetzten Sklaven auch weite Teile der freien Unterschicht ein recht perspektivloses Dasein führten, aus dem allenfalls die Verpflichtung zur Armee einen Ausweg versprach.
Als positiven Gegenentwurf zu diesem von Ungleichheit und Gewaltakten geprägten Tableau versucht Eich das entstehende Christentum zu zeigen, das als „pazifistisches Netzwerk“ zu einer Art unpolitischem Staat im Staate herangereift sei und nicht nur durch die Einbeziehung Marginalisierter, sondern auch im Kontrast zur untrennbar mit Eroberung und Unterdrückung assoziierten römischen Religion mit ihrem von den Herrschenden aufoktroyierten Kaiserkult stetig an Attraktivität gewonnen habe.
Hier stellt sich dann doch die Frage, ob Eich nicht zu sehr aus der Rückschau argumentiert und in Kenntnis der historischen Entwicklung das Christentum schon etwas zu früh als zwangsläufiges Erfolgsmodell betrachtet, denn gerade in der neueren Forschung mehren sich Stimmen, die durchaus anzweifeln, dass an der flächendeckenden Christianisierung kein Weg vorbeigeführt hätte (siehe etwa die ebenfalls in diesem Blog besprochenen Werke von Eberhard Sauer und Rene Pfeilschifter).
Den entscheidenden Faktor für die Destabilisierung des römischen Reichs, das im 3. Jahrhundert aus der Rolle der expandierenden Hegemonialmacht in die permanente Defensive gedrängt wurde, sieht allerdings auch Eich nicht im Erstarken des Christentums, sondern im durch die sogenannte Antoninische Pest (ohne dass dieses Stichwort je fallen würde) in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ausgelösten demographischen Einbruch innerhalb des Imperiums, dem zeitgleich ein massives Bevölkerungswachstum im Barbaricum gegenübergestanden habe. Allerdings räumt der Autor selbst ein, dass diese Theorie spekulative Elemente hat, da sich mithilfe der Siedlungsarchäologie allenfalls punktuell Belege dafür finden lassen und verlässliche Statistiken fehlen.
An manch einer Stelle möchte man Die römische Kaiserzeit daher mit einem Fragezeichen versehen und eher als Gedankenanstoß denn als definitive Interpretation eines vielschichtigen Zeitalters betrachten. Aufgrund von Eichs pointierten Formulierungen und seiner Fähigkeit, selbst komplizierte Zusammenhänge allgemeinverständlich zu umreißen, bleibt das lohnende Sachbuch jedoch auch dann ein Lesegenuss, wenn es gerade zu Widerspruch reizt.

Armin Eich: Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium. München, C.H. Beck, 2014, 304 Seiten.
ISBN: 978-3406660122


Genre: Geschichte